Opas Reisetagebuch Nr. 60 – 19.3.2017 – Cologne – Jaul, jaul, jaul, cheers!

Prolog

Nach der Hamburg Fahrt brauchte Opa erst einmal einen Tag Urlaub, er ist schließlich nicht mehr der Jüngste. An selbigem wurde nicht nur der Kater gepflegt, sondern auch das Tagebuch geschrieben. Um diese Jahreszeit geht es aber Schlag auf Schlag, die Saison neigt sich ihrer Endphase und so stand schon wenige Tage später das Heimspiel gegen die Dortmunder Borussia an. Am Vorabend bekam Opa Besuch von einem Exilherthaner aus Thüringen, der zu den meisten Heimspielen anreist. Nach der obligatorischen Currywurst am Gesundbrunnen ging es über das Vereinsheim des Fanclub Berlin (OFC Nr. 2) weiter zum Kugelblitz, dessen Gastwirt nicht nur Ur-Herthaner ist, sondern der auch ein gefürchtetes Getränk auf der Karte hat. Opa hatte einem Freund vorab gesagt, dass er hofft, dass der Wirt das nicht wieder ausgibt. Und was macht dieser Freund? Er ruft im Kugelblitz an und bestellt für Opa und seine Begleiter eine Runde. Na warte, Freundchen! Doch damit nicht genug. Als Opa öffentlich sein Leid klagte, kam gleich die nächste Runde, diesmal auf Kosten eines anderen Freundes, der gleich auch noch Tipps zum unfallfreien Trinken mit auf den Weg gab, denn das Blue Curacao-Sprühsahnegemisch ist mit normaler Technik kaum kleckerfrei zu trinken, da die Sahne die Trinköffnung des Glases verschließt.

FOTO Alte Dame

 

Der Tipp des Freundes Knut, der seit Jahren sich nicht nur als Buchautor (111 Gründe, Hertha zu lieben – demnächst bei Opa im Shop) einen Namen gemacht hat, sondern auch pointiert die Geschehnisse rund um die Heimspiele kommentiert, war folgender:

FOTO Screenshot Tipp

 

Naja, glücklicherweise gab's nicht noch eine dritte Runde dieser Nahtoderfahrung, aber wer sich selbst mal damit konfrontieren möchte, findet das Getränk im Kugelblitz in der Liebenwalder Str. 46, 13347 Berlin auf der Karte. Natürlich gibt’s da auch liebevoll eingeschenktes Bier und andere Getränke, mal mit und mal ohne Schlager DJ. Ein besonders liebevoller Moment war, als Opa am Tresen ein Bier und zwei Futschi bestellte und als die Bedienung fragte „Nullvier?“ sagte Opa „Ja, warum nicht, die Futschi in 0,4 l bitte“ :D Der Abend endete feucht-fröhlich, wie sich der geneigte Leser wohl denken kann.

 

Im Heimspiel gegen Doofmund zeigte Hertha seine Heimstärke. Wahnsinn, wie da gepresst wurde, hoch gestanden, ballführende Spieler angegriffen und Konter eiskalt zu Ende gespielt wurden. Zum Mitderzungeschnalzen war das und der Sieg fühlte sich süß an und entschädigte auch ein wenig für das Gegurke, welches Hertha derzeit auswärts seinen Fans zumutet. Die Nachbesprechung fiel jedenfalls ebenfalls feuchtfröhlich aus und tatsächlich gab's am Ende im Herthaner keinen Futschi mehr. Allealle, Opa und seine Freunde (einer feierte seinen 50. Geburtstag) hatten den Laden trockengelegt. Strike! :D

 

Der Sonntagsausflug bei Frühlingswetter führte Opa über das Kriegerdenkmal im Treptower Park zur Insel der Jugend, eine Insel in der Spree, die man vom Treptower Ufer über eine Brücke erreicht. Opa ist gern dort und war bestimmt schon mehr als hundertmal auf ihr, doch zum ersten mal fiel ihm auf, dass am Brückenhaus der Abteibrücke das Neuköllner bzw. Rixdorfer Wappen angebracht ist:

FOTO Rixdorfer Wappen

 

Was macht also das Rixdorfer Wappen auf einer Brücke in Treptow? Opas Neugier war geweckt und die Recherche ergab, dass die bis dahin herrenlose Insel 1860 von einem Rixdorfer Bürger gekauft und nutzbar gemacht wurde und 1913 die Gemeinde Rixdorf, die damals noch nicht zu Berlin gehörte, das Eiland für eine halbe Millionen Reichsmark erwarb und 1916 die heute noch begehbare Brücke eröffnete, die die erste Stahlbetonbrücke aus betonummantelten Gusseisen war. Wieder was für die Abteilung unnützes Wissen ;) Aber dennoch spannend, eine weitere Geschichte des eigenen Kiezes zu haben. Also, liebe Treptow-Köpenicker, ihr müsstet heute immer noch zu Eurer Brachlandinsel schwimmen, wenn es Rixdorf nicht gegeben hätte :P

 

Wenige Tage später lief eine schockierende Meldung über die Nachrichtenticker:

FOTO Schockmeldung

 

Opa trauert um die Opfer dieses sinnlosen Unglücks und wunderte sich, dass abends das Brandenburger Tor nicht in den Farben der Steiermark angestrahlt wurde. #prayforsteiermark

 

Ansonsten probierte Opa in den Tagen vor der Fahrt noch ein wenig mit Snapchat herum und hat es endlich verstanden, wie man sich Hundeohren aufsetzt. Den wirklichen Mehrwert dieser App hat Opa aber immer noch nicht wirklich verstanden, das ist aber vermutlich auch eine Generationenfrage. Vielleicht gibt’s demnächst aber doch noch einen Snapchat Channel von Opa.

 

Dann stand da noch der Besuch eines Freundes aus Jerusalem an. Ulrich Sahm, ehemaliger Korrespondent von n-tv, mit dem Opa seit einigen Jahren eine Art Brieffreundschaft pflegt, war auf Vortragsreise in Berlin und gab in der Humboldt-Uni auf Einladung der Deutsch Israelischen Gesellschaft Eindrücke zum Besten, die Opa jedem Interessierten ans Herz legen kann. Beim After-Show-Bierchen hatte Opa noch Gelegenheit, sich vom Präsidium der DIG ein paar Fördermittel für eine Gruppenreise nach Israel incl. Besuch mindestens eines Fußballspiels zusagen zu lassen. Dazu und „Opas Reisetagebuch Spezial“ demnächst mehr. Wer grundsätzlich Interesse hat, darf sich aber gern schon einmal bei Opa melden.

 

Reiseplanung und -vorbereitung

Wirklich attraktive Gruppenangebote gab's diesmal bei der Bahn nicht, Bus nach Köln ist Opa zu „dom- und brauhausfrei“, also war recht schnell klar, dass Opa mit dem Fanticket (zu 79 € u.a. über die Veranstaltungshotline der Bahn zu buchen, mehr Infos hat Opa hier mal zusammengetragen) fährt. Nur mit wem? Opas Mitbewohner, mit dem er oft zusammen zu Auswärtsspielen fährt, musste kurzfristig arbeiten, also fragte Opa herum, um wenigstens einen Platz zum Tascheabstellen zu haben ;) Und so fand sich mit den Resten der „Reisegruppe Sonnenschein“ und den Damen, die auch gern mal mit Strohhut, aufblasbarer Badeinsel mitsamt Palme oder Bobbycar durch den ICE fahren, eine spaßversprechende Gruppe, in die sich Opa wie immer gern locker einklinkte. Das war also geklärt.

Am Vorabend machte Opa noch eine leckere Pizza...

FOTO Pizza

 

...(natürlich vom Pizzastein – wer den hat, hat DAS Geheimnis guter Pizza gelüftet) und überlegte bei sich, ob das wohl eine gute Idee sei, sich Pizza als Reiseproviant einzupacken. Aber kalte Pizza? Das ist ihbaba und die Sicherung der Steckdosen im ICE dürfte einem Pizzaofen nicht Stand halten.

 

Was also dann? Opa hatte eine sehr anstrengende Woche hinter sich, gleich an mehreren Tagen hatte Opa bis um 20 Uhr im Büro zu tun gehabt, zudem war zeitiges Aufstehen angesagt, also beschloss Opa, sich als Reiseproviant mit ein paar guten alten Klappstullen zu behelfen. Natürlich wurde das kräftige Krustenbrot mit Resten selbstgemachten Hackbratens und aufgeschnittener Rinderzunge belegt und liebevoll mit Salatblatt, Gurkenscheiben Senf bzw. Meerettich verfeinert. Klappstulle? Opa mag's und das ist tausendmal leckerer als irgendwelcher Fertigfraß oder der übliche Unterwegsesseneinheitsbrei wie Burgerbrater o.ä..

 


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Anreise

Um halb fünf klingelte nach kurzer Nacht Opas Wecker. Hopphopphopp Stullen schmieren, unter die Dusche springen, einen schnellen türkischen Kaffee (Achtung, den letzten Schluck nicht trinken ;) ) geschlürft, Tasche gepackt und dann nichts wie los zum Bus gerannt. Opa mag keine Hektik, aber so mitten in der Nacht fahren die Öffentlichen trotz M-Anbindung nicht sooo häufig, mit dem nächsten hätte Opa seine Reisegruppe verpasst.

 

Hektisch ging's weiter. Die Dame, die vor Opa am Ticketautomaten stand, hatte eine Seelenruhe. Opa wurde langsam ungeduldig. Die Trulla tippte und tappte sich durchs Menü, vor und wieder zurück, während bei Opa langsam die Adern am Hals anschwollen. „Mach hinne, Mäuschen!“ und dann zahlte die noch mit Karte. Boah... Opas Zug fuhr schon ein, als er endlich am Automaten das hinterlegte Ticket ziehen konnte. Opa mag keine Hektik und noch weniger mag er trödelnde Menschen am Automaten vor sich.

 

Im ICE gab's dann erstmal Verwirrung, wo man denn sitzte, denn durch die Sperrung der Stadtbahnstrecke wird der tiefe Hauptbahnhof von einigen ICEs als Kopfbahnhof genutzt. Er fährt also rückwärts rein und vorwärts raus. Der Hinweis, der Waggon sei in Fahrtrichtung vorn war also wenig hilfreich, Opa hätte nach der Wagennummer fragen und am Wagenstandsanzeiger gucken sollen, den die Bahn übrigens immer noch nicht online hat. Zur Bahn später noch mehr, die hatte jedenfalls keinen Glanztag an diesem Tag. Dazu später mehr.

 

Kaum rollte der ICE, der zu mehr als der Hälfte mit Fußballfans besetzt war, schon ging die Sudelei los. Ein Mitreisender hatte beschlossen, nur ein einziges Bier auf der Hinfahrt zu trinken. Und er hielt Wort :D

FOTO Bierseidel

 

Ansonsten angenehmes Auswärtspublikum, ein Fan im Kölntrikot, etwa Opas Kampfgewicht und auch beglatzt, der sich später dann eigentlich als Biffze entpuppte, der Köln als Zweitverein die Daumen drückt. Es gibt manchmal verrückte Lebensgeschichten. Wenigstens bekleckerte er sich schnell :D

FOTO Sudeln

 

Eine Tischgruppe weiter saß eine Gruppe Herthaner mit einem Wolfsburgfan, der die Pappe eines Gaffelsixpacks als Krone aufhatte.

FOTO Sixpackkrone

 

Apropos Wolfsburg: Als wir in der Stadt des KdF Wagens bei Fallersleben hielten, ankerte neben dem Bahnsteig ein Schubschiff mit dem Namen Exodus.  

FOTO Exodus

 

Opa fragte sich, wer denn wie im gleichnamigen 2. Buch Mose in der Bibel beschrieben aus Wolfsburger Sklaverei fliehen wolle und es war im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend, an den Nocherstligisten und seine Söldner zu denken, die im Zuge der Budgetkürzungen wohl bald das Weite suchen werden. Doch was schert und das Elend anderer Leute? Weiter ging's über Hannover, von wo Opa per Whatsapp seinen 96-Kumpel grüßte, der auf dem Weg zur Zweitligapartie gegen Sankt Pipi war und bald waren wir in Bielefeld, wo eine Reisegruppe einer Zahnarztpraxis einstieg, wo die Chefin ihre Mitarbeiterinnen zum Besuch des Musicals „Bodyguard“ in Köln eingeladen hatte und die auch ohne Sektchen schon lustig waren und sich über Opas Performance amüsierten, wie er einer imaginären Katze auf den Schwanz trat und dabei „Eiiheiihei - will always laaaavjuuu“ jaulte. Lustig war's mit denen, auch wenn Opa das Gefühl hatte, dass die Konfrontation mit Fußballfans für die eine oder andere eine Art Nahtoderfahrung war ;)

 

Apropos Blödefeld: Das mittlerweile kostenlose W-LAN im ICE ging schon in Berlin nicht, ab Blödefeld gab es dann auch die Einblendung, sicherheitshalber gleich doppelt. Danke für nichts.

FOTO Doppeltes W-LAN

 

In Hagen stiegen noch 6 junge Damen zu, die für die 40 minütige Fahrt reserviert hatten. Gruppenticket eben. Nachdem Opa und seine Mitfahrer die Plätze geräumt und die Damen ihre bezogen hatten, holten die ihre Scherpen raus. Junggesellinnenabschied meets Fußballfans. Naja, die Kiste mit von der Braut zu verkaufenden Utensilien bestand zu einem guten Teil aus Klopfern und in Köln mussten die vermutlich neue einkaufen, so schnell wie die weggingen. Standhaft weigerte sich auch die zukünftige Braut, ihre Hochzeitspläne zu überdenken, wie ein anhänglicher Mitfahrer ihr einreden wollte. Der Ausgang der Geschichte entzieht sich Opas Kenntnis.

 

In Köln kamen wir mittags an. Zu wenig Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel, aber ein Selfie vor dem Dom, der zu diesem Zeitpunkt nicht wie einige der üblichen Jauler vermuteten wegen der Fußballfans, sondern wegen eines Gottesdienstes für eine Besichtigung geschlossen war, musste sein...

FOTO Opa und die Damen

 

...bevor es ins Brauhaus zum Mittagessen ging. Leider hatten die Damen im Gaffel reserviert. Das hat zwar den Vorteil, dass das nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt ist, es ist aber auch so mit das räudigste Kölsch, was man in der Domstadt serviert. Muffig, abgestanden, plörrig sind noch die charmantesten Attribute, die Opa für dieses Gesöff findet. Nicht umsonst heißt es ja „Wer Ziegen fickt und Kotze kaut, der trinkt auch das, was Gaffel braut“. Einige hartgesottene bestellen sich gleich ein Fässchen für den Tisch.

FOTO Fässchen

 

Aus Anstand trank Opa aber ein paar der Reagenzgläschen, aß ein eher mittelprächtiges Mettbrötchen, klaute von Tellern rechts und links Pommes und Bratkartoffeln...

FOTO Brauhausidylle

 

...und entschuldigte sich dann, denn mit ein paar morgens aus Berlin per Flugzeug nach Köln gereisten Fans wollten wir noch in ein „richtiges“ Brauhaus und so verschlug es uns nach kurzem Spaziergang am Kölner Stadtmuseum (das mit der U-Bahn, gnihihi) vorbei zum Päffgen, einer kleineren Privatbrauerei, die in nur wenigen Häusern ein würzig-frisch schmeckendes Kölsch ausschenkt. Der Köbes kam, einer bestellte vier Kölsch, Opa bestellte auch 4 :D

FOTO 4 Kölsch – ich auch 4

 

Noch schnell im Keller auf der Toilette den „Ground geknipst“, bevor wir dann den obligatorischen Marsch zum Stadion antraten, der in Köln in der traditionell bumsvollen Straßenbahn stattfindet, die, wenn sie unterirdisch fährt, in Köln auch U-Bahn heißt. Putziges Völkchen die Kölner mit ihrem „Effzeh“ und ihrer „wir stammen alle direkt vom Römer ab“-Attitüde.

 

Am Stadion angekommen fing es fies an zu regnen. Sprühregen mit durchaus frischem Wind ist eine blöde Kombination. Opas Frisur hielt aber stand :D

FOTO Stadion

 

Das Kölner Stadion, in städtischem Eigentum, ist eines der ansehnlicheren neuen Stadien. Ähnlich wie in Berlin gibt es keine bzw. nur eine temporäre Fantrennung drumherum, der Gästeblock ist jedoch hermetisch abgeriegelt. Wer da drin ist, bleibt auch drin. Herumlaufen wie in Hamburg oder Berlin? Fehlanzeige.

 

Im Stadion

Der Einlass war wie jedes Jahr eine ziemlich bummelige Angelegenheit. Glücklicherweise kennt Opa zufällig immer Leute, die ziemlich weit vorn in der Schlange stehen und mit denen er ins Gespräch kommt :D

 

Nach intensivem Abtasten und kurzer Diskussion mit dem Ordner, warum dieser wollte, dass Opa zwei Aufkleber wegschmeißt, brubbelte Opa „ich hab noch mehr in anderen Taschen“ in sich hinein. Immerhin gab's an den Bierständen Vollbier. Dass Opa das noch erleben darf. Ansonsten die üblichen Querelen am Einlass, einem Herthaner wurde wegen seines Alkoholgehalts der Zugang verwehrt. Was an sich in Köln nicht ganz so dramatisch ist, weil der Ordnungsdienst diejenigen nach einem kurzen Spaziergang meist wieder reinlässt, war für dessen Freundin aber Anlass für einen emotionalen Ausbruch, was eine Menge Personal incl. der Hertha-Ordner band.

 

Naja, Opa trank erstmal ein Schlückchen und machte sich dann auf in den Oberring, denn er hatte seine Stehplatzkarte gegen einen Sitzer eingetauscht. Und alte Bekannte traf Opa wieder. Das Selfie-Pärchen, was schon im letzten Tagebuch aus Köln das Fußballspiel als Kulisse für gefühlt 63.000 Selfies nutzte, war wieder da und fotofreudig. Mit dem Gesicht vom Spiel abgewandt wurde Bild um Bild geschossen und wenn eines Tages Archäologen darauf stoßen sollten, könnten sie durchaus berechtigte Zweifel an der Existenz intelligenten Lebens haben :D

 

Nachdem die Kölner ihre Karnevalslieder, die das gesamte Stadion zum Schunkeln und Schalwedeln bringen, für einen Moment unterbrochen hatten, waren auch wir Herthaner mal wieder zu hören. Die Vorsänger gaben sich im bumsvollen Gästeblock...

FOTO Fahnen im Gästeblock

 

...redliche Mühe, gegen gut aufgelegte Kölner, die nach dem Führungstreffer von Modeste in der 5. Minute aber in Ekstase waren, war an dem Tag kein Blumentopf zu gewinnen.

 

Was ist das für eine Mannschaft? Dr. Jekyll daheim, auswärts Mr. Hyde. Daheim mit Galavorstellung, auswärts quälend wie eine Domina, die es scheinar genießt, ihre Liebhaber leiden zu sehen. Ein Fehlpassfestival und eine Alibidefensive ließ den Kölnern Platz zum Zaubern und die nutzten den Platz auch, mit 3:0 führte der „Effzeh“ vor ausverkauftem Haus zur Halbzeit. Opa war angefressen. Galgenhumor machte sich in Opas Umfeld breit.

 

Apropos Umfeld. Da kam Opa mit einem Herthaner ins Gespräch, der sich als großer Fan von Opas Reisetagebuch outete und darauf bestand, mit ihm ein Foto zu machen und ein Bier von Opas Lieblingsmarke auszugeben: Freibier ;)

 

Wenig später war dieser dann nach einem - sagen wir mal - „unbedachten Augenblicksversagen“ in eine längerwierige Diskussion mit dem Ordnungspersonal beschäftigt. Opa half ein wenig, die Situation zu entschärfen. Den Rest des Spiels musste er mitsamt seiner Stiege Stadionbier draußen weitergucken. Opa bedankt sich bei diesem Exilherthaner dennoch für die Einladung zum Bier und die Einladung, im Rahmen des Darmstadtspiels etwas zusammen zu unternehmen.

 

Die Fehde zwischen den beiden Ultragruppen HB und WH ging in die nächste Runde. WH hielt ein Banner hoch, welches, wenn dieses von Herthanern gezeigt worden wäre, wohl wieder die üblichen Verdächtigen aufjaulen ließe, die Herthas Fanszene eine latente Homophobie andichten wollen:

FOTO Banner

 

Wo bleibt denn eigentlich da Euer Aufschrei? Die bigotte Selbstgerechtigkeit und das zweierlei Maß, mit dem da gemessen wird, ist derart offensichtlich, dass Opa über die Propaganda, die einige im Stil Karl-Eduards veranstalten, nur noch lachen kann, weil es eben lächerlich ist. Und Opa wird immer den Finger in diese Wunde legen. Oder Euch woanders hinstecken. Weil ihr es Euch verdient habt.

 

In der zweiten Halbzeit hat sich Hertha immerhin gewehrt und ein anderes Gesicht gezeigt, wenn auch zwei eigene Tore nichts mehr am punktlosen Ausflug ändern konnten, zumal die Kölner auch noch eine Bude nachlegten. Wenn man etwas Positives aus dem Spiel ziehen will, dann, dass man die zweite Halbzeit mit 1:2 gewonnen hat.

 

Rückfahrt

Als der Schlusspfiff die Herthaner erlöste, begann der Run Richtung Bahnhof, denn so wahnsinnig viel Zeit hatten wir nicht. Schnell die Sachen aus dem Schließfach geholt, zum Supermarkt in Bahnhofsnähe geflitzt, der nicht nur gekühlte Getränke, sondern vor allem auch Eiswürfel feilbot. Wieder zurück zum Bahnhof mit einer sauschweren Kühlbox, deren Henkel glücklicherweise hielten und gerade so den Regio erwischt, mit dem wir über die Dörfer bis Dusseldorf fahren mussten, denn der ICE über Köln fiel wegen Bauarbeiten aus. Herrje, was für ein Kackladen die Bahn, der Opa eigentlich wohlgesonnen ist, manchmal doch ist.

 

Mit Einnehmen der Plätze im ICE entspannte sich jedoch die nach dem Spiel doch arg angeknackste Stimmungslage. Mit flotter Musik aus der Box ging es diesmal mit funktionierendem W-LAN Richtung Berlin. Opa riss seine bis dahin unangetastete Flasche Rum an, die Eiswürfel plätscherten im Becher und man lachte, sang und schunkelte Richtung Berlin, bis Opa angesichts des Schlafmangels und der mittlerweile fortgeschrittenen Uhrzeit ein kleines Nickerchen machte und den Schlaf der Gerechten schlief. Bis wir in Hannover einfuhren, denn da war ordentlich Tumult auf dem Bahnsteig.

 

Die mit dem ICE vor uns gefahrenen Herthaner wurden allesamt vom Zugchef in Hannover aus dem Zug geschmissen. Und man wollte diesen Herthanern, unter denen auch jede Menge Unbeteiligte waren, auch die Fahrt mit unserem ICE, der der letzte für diesen Abend war, verweigern. Darunter übrigens auch minderjährige Jugendliche, deren Eltern mir sagten, sie würden sich gleich ins Auto setzen und ihr Kind in Hannover abholen. Einige Herthaner beschlossen, die Nacht in Hannover zu verbringen, andere fuhren mit dem Taxi nach Berlin und wiederum eine größere Gruppe diskutierte so lange mit der Bahn, bis sie doch mitfahren durften. Eine runde Stunde Verspätung ist so mit das letzte, was man nach einem solchen Tag braucht und das war wohl auch einer der Gründe, dass die Nerven bei dem einen oder anderen blank lagen und es unter Herthanern dann unnötogerweise zu Handgreiflichkeiten kam, die sich aber schnell wieder legten und wo zumindest von Opas Seite nichts hängenbleibt.

 

Und so ließen wir die Zugbegleiterinnen, die auch einfach nur nach Hause bzw. ins Hotel wollten, fleißig Fahrgastrechteformulare verteilen, denn ab einer Stunde Verspätung gibt’s einen Teil des Fahrpreises zurück. Auch in dem Fall werden wieder einige rummäkeln, dann sollen „die Herthaner“ sich halt besser benehmen. Nur nochmal zum Mitschreiben: Opa saß in einem anderen Zug UND hat zu dem Zeitpunkt ein Nickerchen gemacht. Wie soll sich Opa bzw. jeder andere Nichtbetroffene denn besser benehmen?

 

Und außerdem: Früher, in den 70er und 80er Jahren hätte kein Zug das Ziel erreicht, weil der vorher abgebrannt wäre. Zum einen, weil damals die Züge nicht aus brandhemmenden Materialien hergestellt waren und zum anderen, weil Herthaner damals selten halbe Sachen gemacht haben und es damals wirklich gewalttätig zuging, vor allem mit der sog. Transportpolizei gab's regelmäßig Schlachten, die zumeist von den Herthanern gewonnen wurden. Opa erinnert sich an eine Geschichte, wo ein „Trapo“, wie die ostdeutschen Bahnbullen hießen, die in West-Berlin für die S-Bahn zuständig waren, am Westkreuz in eine S-Bahn voller Herthaner stieg und innnerhalb von 10 Sekunden auf der anderen Seite des Waggons aus der Tür geschmissen wurde.

 

Oder wo um die hundert Herthaner sich mit 30 Trapos eine Schlacht lieferten, die sogar die abgerichteten Schäferhunde in die Flucht schlugen. Die Berliner Polizei, die weder zuständig war noch eingreifen durfte, nahmen sogar den Trapo fest, der unerlaubterweise Berliner Gebiet betreten hatte. Und das noch bewaffnet, was gem. alliierter Anweisung strengstens untersagt und mit Todesstrafe bedroht war. Das waren noch Zeiten. Das war noch Gewalt. Und heute wird wegen ein paar ganz sicher dummen Vorfällen wie Schmierereien, ein paar Aufklebern (neue gibt’s u.a. bei Opa im Onlineshop ;) ) und ein paar Pöbeleien ein ICE geräumt und jede Menge Überstunden bei allen Beteiligten verursacht? Ein Betroffener schrieb Opa, dass selbst die Bahnbullen nicht verstanden hätten, weshalb der Zugchef den Zug räumen ließ.

 

Wer bei den heutigen „Störungen“ aufjault, sollte sich durchaus darüber im Klaren sein, welche Fortschritte es gegeben hat. Nur um das klarzustellen: Wer Straftaten begeht und erwischt wird, muss mit den Konsequenzen leben. Aber eine Gruppe kollektiv zu bestrafen ist schlicht und einfach falsch. Im Stadion genauso wie in einem Zug. Aber vermutlich wird von denselben Personen wieder versucht, Opa und andere Herthaner in die gewalttätige oder homophobe Ecke zu stellen. Opa lacht drüber und mixt sich noch einen Drink, anders ist dieses überkorrekte Mainstreaming nämlich kaum zu ertragen. Opa isst weiterhin Negerküsse, Zigeunerschnitzel und sudelt in der Bahn, gern auch ohne Hose, allein schon, weil ihr so schön jault. Cheers!

 

Apropos ertragen: Da sickerte in den Tagen vor dem Spiel durch, dass Hertha ein Testspiel in Asien plant. Wenn dem so ist, dann wird Opa wohl einen Spendenaufruf machen, um die Reise finanzieren zu können ;) Zwar kann man auch für 315 € mit Aeroflot über Moskau nach Tokio fliegen, aber das ist Opa dann doch etwas zu abenteuerlich, frei nach dem Motto

 

„Gott beschütze uns vor Frauen

und vor Fliegern, die die Russen bauen“

 

Ein Ticket bei einer „normalen“ Airline, dazu vermutlich noch last minute, wird realistisch wohl bei rund 550 € liegen. Bei der Performance der Bahn gestern darf man übrigens froh sein, dass die Strecke laut Auskunft der Bahn nicht bedient wird. Spielt Hertha in Peking, kann man tatsächlich eine Zugfahrt über Moskau nach Peking machen. Der Schnellzug von Moskva Iaroslavskaja nach Peking ist 6 Tage unterwegs. Allet für Hertha!

 

Zurück zur Reise mit der Deutschen Bahn. Ein paar zugestiegene Mitreisende berichteten, dass ihr Tag komplett katastrophal verlief. So kam morgens einer der Busse, die für die Fahrt gebucht waren, nicht. Die waren froh, überhaupt in Köln gewesen zu sein und haben kurzfristig umdisponiert. Nach einer Fahrt durch die Internetdiaspora zwischen Hannover und Berlin, die einen Mitreisenden zu folgendem #bahnsinn - Tweet inspirierte:

TWEET @soeinalbrecht

 

spuckte uns der ICE mit rund einer Stunde Verspätung am Hauptbahnhof aus. Müde, k.o. und leicht angeschickert wankte Opa zum Bus, hörte laute Musik in seinen Kopfhörern und erreichte die Rixdorfer Heimat um kurz vor 2 Uhr früh. Ein Glas Wasser, Zähnchen schrubben und dann überkamen Opa die blauweißen Träume von hoffentlich bald besseren Auswärtsspielen. Aber der Fußball ist am Auswärtsfahren ja eh nur eine der schönsten Nebensachen der Welt.

 

So, nun dürfen sich wieder alle Berufsempörten und Klosterschwestern das Maul zerreißen. Jaul, jaul, jaul. Opa betet für Euch. Und trinkt. Vermutlich wegen Euch. Cheers!