Von Assis und mehreren Schlägen ins Gesicht

Die Auswärtsfahrt nach Hannover war so richtig mies und das gleich aus mehreren Gründen. DerGästeblock war nicht nur hoffnungslos überfüllt, es lag auch ein Gemisch aus Aggressivität und Alkohol in der frühsommerlichen Luft und zwar soviel, das es mir den Spaß am supporten nachhaltig genommen hat. Aber eines nach dem anderen.

 

Eigentlich fing alles ganz wunderbar an. Einer der Biergärten in Stadionnähe lud, bei besten Wetter etliche Berliner ein, sich schon vor dem Spiel in positive Stimmung zu bringen. Ein leckeres Hefeweizen vom Faß wartete mit seinen Kumpels nur darauf von mir getrunken zu werden. Die Kumpels des Hefeweizens konnte ich in mir vereinigen. Bester Laune und wohl gestärkt, ging es zum Stadion.

 

Hannovers Einlasskontrollen sind schon seit längeren dafür bekannt, das, sagen wir mal so, bestimmte Kontroll-Kriterien nicht ganz nachvollziehbar sind. Mal sind die Kontrollen gerade am Gästebereich übertrieben penibel. So wurde mir beim letzten Auswärtsspiel in der Leinestadt eine Tageszeitung abgenommen, mit der Begründung, ich könne diese ja anzünden, um mich nur kurz hinter dem Einlass, schon von mehren Programmzeitungsverkäufern umzingelt zu sehen.

 

Andere wurden bei der geringsten Schwankung im Bewegungsablauf einer Alkoholkontrolle unterworfen. Da habe ich immer noch einen Hertha-Kumpel in Erinnerung dem man den Einlass wegen einen vermeintlichen Trunksucht verweigern wollte, weil er so komisch lief. Selbst die Erklärung, dass er nicht umsonst eine Prothese trägt, überzeugte die schlecht geschulte Security Gemeinschaft zunächst nicht. Besagter Kumpel musste sage und schreibe 30 Minuten darum betteln, endlich zu seiner Hertha vorgelassen zu werden.

 

Wer weiß, vielleicht liegt es an einer Charmeoffensive Hannovers, das vom Traditionsverein zum RB Bayer Hannover 1899 mutieren will und deshalb zu einer schlechten Adresse, nicht nur der eigenen Fans, wurde, dass es diesmal so völlig anders sein sollte. Die Ordner im Gästebereich waren diesmal so gut wie gar nicht existent. Großartig dachte ich. Das sind die Situationen, in denen die Fans die Eigenverantwortung über das Geschehen im Block übernehmen können. Quasi die Chance zur Selbstverwaltung. Ausgerechtet hier im Kind(er)Paradies erhält die Fankultur eine Chance. Doch diese zugegeben naive Annahme erwies sich schon bald als Seifenblase.

 

Die ordnerfreie Zone wurde von einigen blauweißen Vollpfosten derart genutzt, um Herthaner am Einnehmen ihrer Sitzplätze direkt neben dem Stehplatzblock zu hindern und das teils mit Gewalt. Müßig zu erwähnen, das es sich dabei nicht um ehrliche 1:1 Platzhirschkämpfe handelte, sondern um das Ausnutzen einer numerischen Überlegenheit. Solche Aktionen, geben den Befürwortern einer gnadenlosen Kontrolle des Gästeblocks mit hoher Ordnerpräsenz Vorschub.

 

Eine Chance wurde verpasst. Ein Jochbein mehrfach gebrochen. Als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, ließ meine Hertha zum wiederholten male den vollmundigen Versprechungen unseres Trainers nur warme Luft folgen. Die „Alte“ Dame spielte diesmal wirklich wie eine. Auch das war ein Schlag ins Gesicht der Auswärtsfahrer. Gut, mir hat es gereicht. Ich tat etwas, was ich in meiner Fanlaufbahn erst einmal gemacht hatte. Ich verließ frühzeitig das Stadion.

 

Das erste mal war es in der Abstiegssaison 1979/80 am 24.05.1980 bei der 0:4 Niederlage in Dummsdorf am vorletzten Spieltag. Damals verließ ich den Block, sagen wir mal, aus Gründen der Fitness. Diesmal hat es mir einfach nur gereicht. Die Atmosphäre im Block und das jämmerliche Spiel meines Herzensclubs ließ mich zurück zum Biergarten treiben. Doch ich war nicht alleine. Eine illustere Schar echter Herthaner und Herthanerinnen haben sich mir angeschlossen.

 

Jessy, ganz nebenbei Mutter eines der hoffnungsvollsten Fußballtalente dieser Stadt, Jana, Tochter eines alten Haudegens unserer Hertha, mein Uralt Freund Philipp und last but not least Gabriel, mit dem es immer wieder Spaß macht, sich zu treffen und sich mit allen über mehr als nur Fußball zu unterhalten. Ja, ich weiß man bleibt bis zum Spielende....aber das schöne bei Hertha ist ja der Grundsatz, „Alles kann, nichts muss“. Auch dafür liebe ich meine Hertha.

 

Auf diejenigen aber, die meinen, auf die eigenen Fans losgehen zu müssen, kann ich nicht nur verzichten. Den rufe ich ein liebevolles „verpisst Euch“ entgegen. Apropos verpissen, viele Grüße an die Waterkant. Am letzten Spieltag geht es gegen Leipzig. Pal sagte, vor dem Spiel, „er will gegen Leipzig, die Hertha Fans versöhnen.“.....Oh Mann. Ich hoffe die Saison ist schnell vorbei.

 

Diesmal bleibe ich aber bis zum Schluss. Statistisch gesehen, verlasse ich erst wieder im Jahr 2056 das Stadion. Dann aber wahrscheinlich mit den Stiefeln vorneweg. Bis dahin, wünsche ich den verletzten Herthaner gute Besserung.

 

Ha Ho He Euer Knut