Absolute Gelassenheit

Jeder Fan hat seine Rituale und guten Vorsätze. Der eine hat einen Glücksschal, der andere geht einen bestimmten Weg zum Stadion oder begrüßt sich mit seinen Kumpels am Spieltag auf eine ganz spezielle Art. Ziel der Rituale ist natürlich, die Götter und das Glück für einen Sieg des Herzensclubs zu gewinnen. Manche Fans haben das Glück, da sie in der geilsten Stadt der Welt z.B. einen Ausbildungsplatz, eine Arbeitsstelle oder andere Anker gefunden haben, ein ganz besonderes Ritual zu pflegen. Die Anwesenheit bei jedem Hertha Heimspiel.

Ja ich bin einer der Glücklichen, die hier in Berlin arbeiten und wohnen dürfen.....und doch habe ich gegen Bremen geschwänzt. Ja, ich war nicht da! Nicht aus Desinteresse auch nicht aus einem Sättigungsgefühl heraus. Nein! Der Grund ist ganz einfach. Meine Frau hatte Geburtstag und ich weiß, dass sie Städtereisen liebt, also habe ich ihr eine Reise nach Stockholm geschenkt. Schließlich ist sie diejenige, die seit mehr als 20 Jahren meine Liebe zu einer alten Dame toleriert und unterstützt.

Machen wir uns nichts vor. Wir Herthaner sind harte Gesellen. Ein Heimspiel verpassen? Das ist nicht weiter schwer. Der Verzicht auf Live TV Bilder? Alles kein Problem. Ich bin ein solch harter Junge. Hertha gegen Bremen, habe ich schon 1000x gesehen. Da reicht mir auch einmal das bloße Endergebnis. Wie gesagt, kein Problem. Außerdem habe ich ein neues Handy, da kann ich mir ja zur Not den Toralarm einstellen. Kurz, es wird schon.

 

 

Der Sonnabend verlief ganz wundervoll, Museum, Fotoausstellung, Stadtrundfahrt, gutes Essen und ein Starkbier, das einen die Socken auszieht, „Wisby Mölk“. Das Bayern verloren hatte, rundete das Ganze ab. Nun kam der Sonntag. Neben einer Dampferfahrt stand ein ausgiebiges Shopping an. Shopping ist ja bekanntlich, eines der Horrorworte die auf jedem Männerindex stehen. Am liebsten shoppe ich mit meinem Sohn. Wir wollen etwas, wir gehen rein, wir sehen es und gehen wieder. Und zwar sofort.

 

Nicht so, das andere, von uns so geliebte Geschlecht. Schnell wird aus einem „Schatz, ich gucke nur mal schnell hier rein“, ein Tagesausflug in die Katakomben eines Kaufhauses. Doch das war nicht mein Problem. Mein Problem war, das mein Handy auf einmal rummuckte und ich auf einmal keine Internetverbindung hatte. Weiß der Geier warum. Gestern lief noch alles wunderbar. Herthas Spiel sollte gleich anfangen und ich war ohne Verbindung! Da half nur noch eins, das Hüpfen vom offenen Hotspot zum Nächsten. „Seven up“ hieß das erste Geschäft mit freiem Wlan. Bei Hertha stand es 0:0 und ich suchte intensiv die Regale durch, so intensiv, das meine Frau stutzig wurde. Schließlich hatte ich noch nie länger als 2 Minuten vor einem Shampoo Regal verbracht. Ich also raus und nach ein paar Metern war auch schon die Wlan Verbindung unterbrochen. Mist. Egal wo ich ab jetzt vorbei kam, nur noch gesicherte Hotspots. Doch was war das?

 

„Åhléns_guests“ so signalisierte mir mein Handy, „Åhléns_guests“ mit seinem freien Internetzugang wird Dich glücklich machen und ja, da stand er, der Tempel des Konsums, das KaDeWe des Nordens. Åhléns City. Ich würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, so schoss es mir durch den Kopf, zum einen konnte ich Hertha weiterverfolgen, zum Anderen war mein Schatz von meiner grenzenlosen Güte überwältigt, als ich ihr vorschlug, „schau mal, das ist aber ein schönes Kaufhaus, lass uns doch dort reingehen.“ Und ja, der Konsumtempel war ein Volltreffer, alle 5 Meter konnte man stehen bleiben und die wunderbaren Auslagen bewundern. Schuhe zum anprobieren, Jacken, Hosen, was das Herz begehrte und als mein Herzblatt ein paar besonders schöne und auch besonders teure Schuhe anprobierte, stieß es aus mir heraus, „Jaaaaa“. Alle anderen Frauen in unserer Nähe schauten begeistert zu uns herüber, und lauschten meinem Jubel und alle waren besonders neidisch auf meine Frau. So eine Empathie beim Schuhkauf hätten sie sich auch von Ihren Männern gewünscht. Doch ihre Männer waren nicht da. Die waren beim Derby AIK gegen Hammarby (1:1).....

 

So blieb zum Glück unbemerkt, das es eigentlich Mathew Leckie war, der die richtige Schuhwahl meiner Frau unterstrich und gerade das 1:0 schoss und nicht ganz unschuldig an meinem zustimmenden „jaaaa“ war. Ein paar Schuhe und Hosen später war Schluss mit lustig. Mein verstohlener Blick aufs Smartphone zeigte mir an, das die Fischköppe das 1:1 geschossen hatten.

Saß ich bis eben noch milde lächelnd in der Nähe meiner Liebsten, überfiel mich schlagartig eine gewisse Unruhe und ich begann nervös auf und ab zu laufen. Meine Frau, ohnehin schon sehr verwundert, dass ich immer noch bei ihr im Kaufhaus war hatte ein Einsehen. Wir verließen ca. 30 Minuten nach meinem letzten Zappelanfall das Eldorado der modebewussten Frau und schlenderten Richtung Altstadt. Am Ausgang ertönte noch einmal der letzte Kickeralarm. 1:1 Endstand.

 

Ich war stolz auf mich, das ich diese Situation tatsächlich so gelassen überstanden hatte. Ganz ohne Entzugserscheinung. Es geht also auch ohne Hertha. Ich bin schon eine coole Socke.

Noch auf dem Weg zum Hotel habe ich das Auswärtsspiel in Hoppenheim und das EL Spiel in Östersund gebucht. Nicht auszudenken, ich bleibe bei den Spielen in Berlin und mein Handy versagt wieder.

 

 

Ha Ho He Euer Knut