4.8.2016 - Bröndby - Hertha International

Opa plante zunächst, mit dem Linienbus zu fahren und ein paar Tage in Kopenhagen zu bleiben. Angesichts der wegen Hochsaison aufgerufenen Hotel- und Hostelpreise rückte er schnell von dem Vorhaben ab und als ein befreundetes Paar ihm anbot, ihn mit dem Auto mitzunehmen, wurde der Busplatz storniert und die Reise im Auto vorbereitet.

 

Mit dem Auto kommt man von Berlin nach Kopenhagen am effektivsten per Fähre Rostock - Gedser. die ist zwar happig teuer, der Umweg über Land bedeutet jedoch einen Umweg von 350 km und dort muss man neben der Zeit und den Spritkosten obendrein 32 € Maut für die Brücke einplanen. Die 400 km reiner Fahrtweg klingen nach einem Nahziel, durch die rund 2 Stunden Fährfahrt wird es dann aber doch zeitaufwendig. Opa fährt allerdings gern Schiff, daher kam ihm die Fährfahrt gar nicht ungelegen.

 

Es war alles organisiert und geplant, blieb noch die kulinarische Vorbereitung. Opa entschied sich für eine Kombination aus “Chili-Con-Carne-Bouletten” und handgerechten Schnitzelchen.

 

FOTO Verpflegungskombi

 

Da wir die Fähre um 13 Uhr gebucht hatten, reichte es, sich ganz bequem um 10 Uhr zu treffen und loszureisen. Mit viel guter Laune, extrem leckerer Verpflegung, flotter Musik und einer Styroporkiste voller Eiswürfel ging es los. Man erzählte sich Anekdoten von “früher”, ließ die ersten Mischen kreisen und fühlte sich pudelwohl. Beim ersten Halt suchten wir das am Parkplatz bereitgestellte Dixi. Iiiihhhhgittigittigittigitt, kotz. Ja, auswärts ist manchmal eklig, aber so? Opa war von dem dargebotenen Anblick bedient und während ihm im Kopf der alte Werbespruch des deutschen Metzgerhandwerks “Mit Wurst wird das Leben erst richtig schön” im Kopf herumschwirrt, macht er gern Werbung für das Reiseland Deutschland: 

FOTO Dixie  

 

Weiter ging’s. Opa musste erstmal was essen ;) Ein Mitfahrer bot ihm einen selbstbelegten Lachsbagel an. Da sagte Opa nicht nein. Sehr lecker, allerdings etwas flüssig angemacht und weit und breit keine Serviette, Opa fing langsam an, nach auswärts auszusehen.

 

Auf den social media Kanälen trudelten die ersten Bilder von den Reisenden ein, die ihre Erlebnisse posteten, allerlei im Bus verschüttetes, diverse Wackelbilder und natürlich Schiffe, denn so eine Fährfahrt ist schon etwas Aufregendes. Bei Opa war es aber noch nicht so weit, denn wir erreichten gerade mal Rostock. Im Hafen hatten wir uns gerade in die richtige Wartespur eingereiht, schon kam trotz Schengen sogleich die Bundesbullissei anmarschiert und wollte die Ausweise sehen. Diese Schikanenscheiße gegen Fußballfans hält die definitiv davon ab, irgendwas sinnvolles zu tun wie z.B. Verbrecher zu fangen. Geschäftsmäßig und ansonsten wort- wie grußlos endete die Kontrolle mit der Herausgabe der Ausweise, nachdem er sich über Funk einen wohl etwas längeren Vortrag über die reisenden Personen hatte anhören müssen, Opas Reisegruppe bestand aus Menschen mit, na sagen wir mal, ein wenig “Auswärtserfahrung”, welche die Bullissei meint, auf ewig in illegalen Dateien abspeichern zu müssen. Auch so ein Grund, weshalb es an Respekt mangelt, wenn sich bei denen keiner an Gesetze hält, denn die grundlose Speicherung ist und bleibt illegal.

 

“Danke für nichts” - dachte sich Opa und musste an das Buch und die herrliche Verfilmung von “Tadellöser & Wolff” von Walter Kempowski denken, wohl das einzige, was es sich im Zusammenhang mit Rostock zu lesen lohnt. In dem großartigen Buch beschreibt der junge Walter autobiografisch unter anderem, wie seine pubertierende Schwester einen Dänen kennenlernt und aus Liebe zu selbigem dänisch und die Skurrilitäten der dänischen Sprache lernt. “Mange tak for ingenting” bedeutet “Danke für nichts”. Das sagt man in Dänemark, wenn man ein Geschäft verlässt, in dem man nichts gekauft hat und das ist im Gegensatz zum deutschen Pendant sehr höflich gemeint. Opa meinte sein “Danke für nichts” beim Ausweis ins Portemonnaie zurückfummeln aber alles andere als höflich.

 

Nachdem die Bullissei sich verpieselt hatte, konnten wir einen Blick auf die neben und hinter uns warteten werfen. Da war die Motorradreisegruppe, die genau wie wir eine eher lockere Haltung zum Thema “irgendwo bei der Bullissei eingetragen” hatte und dies mit entsprechenden Patches auf der Jacke dokumentierte. Spaß hatten die Jungs dennoch, denn auf dem Sozius einer Goldwing saß ein lebensgroßer Werner:

FOTO Sozius-Werner

 

Auf facebook meinte einer über Opas Verpflegung zu pöbeln. Nachdem ein User Opas Bouletten-Schnitzel-Kombi als “Champions League würdig” bezeichnet hatte, pöbelte einer, das sei ja höchstens Kreisklasse. Opa schaute sich dessen öffentliches Profil an und entdeckte Einträge, wo dessen App eines Lieferdienstes die Bestellungen öffentlich dokumentierte. Opa konterte genau damit und schon war Ruhe im Karton ;)

 

Endlich legte zudem unsere Fähre an und ein entnervter Hafenarbeiter dirigierte Busse, LKW und Autos an Bord. Bei der Fahrt in den Bauch der Fähre überkommt einen schon ein beeindruckendes Gefühl. So viel Stahl und Gewicht, was schwimmt. Klar, kann man das kühl mit Auftriebsgesetzen erklären, man kann sich aber auch einfach mal verzaubern lassen. 

FOTO Roll on

 

An Bord der Prinz Frederik orientierten wir uns zunächst…

 

FOTO Lageplan

 

...und fanden zielsicher den Kühlschrank mit dem kalten Bier im Shop :D Der freundliche Mitarbeiter an der Kasse sprach uns auf englisch an, Opa schäkerte ein wenig mit ihm, bis ihm auffiel, dass wir deutsche sind und entsprechend herzlich lachten, denn der Däne sprach ausgezeichnet deutsch. Während wir fröhlich zahlten, explodierte eine der gerade bezahlten Bierdosen. Materialermüdung? Sabotage? Während Opa vergeblich auf das CSI Team wartete, welches diese Frage klären sollte, kam stattdessen der immer noch total freundliche Däne mit einer KüchenroFOTO Roll on

 

An Bord der Prinz Frederik orientierten wir uns zunächst…

 

lle angerannt und wischte lachend den Kladderadatsch weg, während Opa sich ein neues Bier holte und den Spiegel überm Kassengang dokumentierte, der endgültig nach Auswärtsfahrt aussah:

FOTO Spiegel

 

Merke: Wenn´s Bier von der Decke tropft, fühlt sich der Auswärtsfahrer wohl. Draußen zog Warnemünde mit Teepott und Hotel Neptun vorbei…

FOTO Warnemünde

 

...und drinnen sorgte Opa für die Umsetzung des Leitspruchs “Das Flüssige muss ins Durstige”. Beim Rundgang entdeckte Opa schon Hinterlassenschaften von Herthafans, die ihre Anwesenheit auf dem Schiff mit entsprechenden Aufklebern dokumentiert hatten, selbst auf dem Rettungsboot prangten stolze Herthaaufkleber. Opa ließ lieber seine neue Fahne und seinen neuen “Hertha international”-Schal im Wind flattern.

 

FOTOS Fahne und Schal

 

Als das auch erledigt war, begab man sich über den Umweg Shop, wo rituellerweise Geld gegen Bier getauscht wurde und der Kassierer immer noch lachte, aufs Achterdeck, wo man windgeschützt die See genießen konnte. Während Opa mit einer sympathischen Reisegruppe schäkerte (“Hab ich da Grappa verstanden?”), die sich witzigerweise nach dem Handwerksbetrieb nannte, mit dessen VW Bus man auswärts fuhr, genossen andere das Panorama.

 

FOTO Panorama   

 

Opa machte es sich bequem, als er einen Tweet sah, auf dem er mit fehlerhafter Bildüberschrift dokumentiert war.

FOTO Screenshot

 

Liebe Twitterredaktion von Tagesspiegel Sport: Niemand hat an Bord dieses Lied gesungen, auch Opa nicht! Aber Opa ist ja nicht Preetz und verzichtet daher generös auf eine Gegendarstellung.

 

Apropos generös: Ein Reisender einer anderen Reisegruppe stand plötzlich mit einer Palette Bier vor Opa und verteilte fleißig Dosenbier an die mitgereisten Fans.

 

FOTO Palette

 

Opa fragte, wie er denn zu der Ehre käme. Die habe er gerade “gefunden”, die hätte im Shop rumgestanden und bevor sie jemand klaut, habe er sie mitgenommen. Herthaner können so fürsorglich sein. ;)

 

Als wir in Dänemark anlandeten, empfing uns allerbestes Strahlewetter. 

FOTO Anlandung

 

Wir lagen exakt im Zeitplan, sogar eine Pinkelpause konnten wir uns leisten. Während wir das beeindruckende Panorama einer Brücke genossen, über die wir gerade gefahren waren…

FOTO Panorama

 

...entdeckte Opa eine Sachbeschädigung, die offensichtlich von mit Bröndby befreundeten Fans begangen worden war. Verantwortungsbewusst kennzeichneten wir die Sachbeschädigung mit einem Aufkleber.

FOTO Hertha klebt oben

 

Gegen zehn vor fünf, wir waren noch unterwegs Richtung Stadion, erreichte Opa eine SMS, dass sich der Herthamob in der Innenstadt schon in Gang gesetzt hatte. Opa wäre gern am Treffpunkt dabei gewesen, aber dafür waren wir eine Fähre zu spät gefahren. So beschlossen wir am Gästeparkplatz zu warten, der allerdings nur mit Mühe und unter Umgehung der Verkehrsvorschriften zu finden war. Wo in Deutschland gefühlt jedes Gästeauto mit Motorradeskorte und Hubschrauber zum Gästeparkplatz abgedrängt wird, stellen die Dänen einfach Verbotsschilder und Absperrbaken auf, die man ignorieren muss und was per Saldo in Deutschland zum automatischen Verlust des Führerscheins führen würde.

 

Wir fuhren also erstmal “ganz deutsch” auf einen legalen Parkplatz, wo uns aber sogleich ein Ordner erklärte, dass wir zum Gästeparkplatz müssten. Unser Einwand, dass wir das ja gern würden, aber da gesperrt sei, führte zunächst zu hektischer Funkerei und uns wurde gesagt, dass die Absperrung nicht für uns gilt. Nunja, das konnte ja was werden. Dagegen ist ja selbst Hertha einigermaßen organisiert :D

 

Also ruff uff den Parkplatz, “Tach jesacht” zu den bekannten Gesichtern und noch eine Mische mit den letzten Eiswürfeln angesetzt, als kurze Zeit später der Mob am Horizont auftauchte. Netter Anblick, so alle mit Sturmhauben, man schien etwas vorzuhaben.   

 

 

FOTO Mob

 

Und genauso kam es auch. Nachdem man sich vorm Gästeeingang platziert hatte, schepperte es auch schon los. Gefühlt zehn Sekunden hielt das Tor, dann war es auf. Es flogen ein paar Plastikabsperrungen und Mülltonnen, drinnen sah man Ordner flitzen und der gesamte Mob war drin. Ein paar dänische Polizisten standen entspannt am Rand und sagten laut Ohrenzeugen so etwas wie “naja, das Tor ist nicht gut, das ist bekannt”. Sie hätten eh nichts ausrichten können.

 

Der Zugang zum Gästebereich war und blieb unkontrolliert, die geflüchteten Ordner tauchten auch nicht mehr auf. Hätte Opa das gewusst, hätte er sich den Autoschlüssel geben lassen und wäre mit Getränkevorrat ins Stadion gegangen. Naja, fürs nächste mal merkt er sich das. Andere waren da cleverer und ließen Opa wenigstens mittrinken.

FOTIO Glasflaschen

 

Drinnen empfing uns ein leeres Stadion, wir hatten die Eröffnung wohl etwas vorgezogen :D

 

FOTO leeres Stadion

 

Ein Herthavertreter nahm Opa beiseite und steckte ihm, dass die UEFA wegen des Blocksturms einen Spielabbruch erwäge, wenn nicht alle nochmal rausgingen und kontrolliert wieder rein. Opa lachte laut schallend los, denn das war komplett unrealistisch. Man stelle sich nur mal die möglichen Szenarien vor.

 

A: Man lässt den Block mit der Bullissei räumen. Das würde automatisch dazu führen, dass sich unbeteiligte und unschuldige zu Widerstandshandlungen hinreißen lassen, die wie eine Kettenreaktion eine Massenschlägerei und Panik auslösen.

 

B: Das Spiel wird abgesagt. In einem Stadion, was nur ein Zäunchen in Kniehöhe vorm Gästeblock hat, der mit “maskierten Spaziergängern” gefüllt ist, würde das nicht ohne erweiterten Stadionrundgang des Mobs enden.

 

C: Man macht Dudu, vertagt die Konsequenzen auf später und lässt den Capo eine Durchsage machen, dass nichts auf das Spielfeld zu werfen ist (davor hatte die UEFA wohl die Buxe voll), pfeift pünktlich an (damit man auch keine Schadenersatz an den Rechteerwerber zahlen muss - in Wahrheit geht´s nämlich nur um die Kohle) und lässt Platz für Fankultur.

 

Man entschied sich vernünftigerweise für C und die Herthafans zeigten vorbildlich, dass man mit solchem Freiraum verantwortungsbewusst umzugehen weiß. Das schreibt Opa übrigens ganz ohne Ironie. Klar werden sich wieder die üblichen Verdächtigen aufregen, die meist ein Stadion und einen Gästeblock nur aus dem Fernsehen kennen. Das, was da in Bröndby war, sah zwar bedrohlich aus, war aber im Grunde genommen Kindergeburtstag. Jeder, der im Block war, wusste mit der Situation umzugehen. Fankultur braucht Freiraum und Fans können mit diesem Freiraum umgehen. Wer auch immer ein härteres Durchgreifen fordert oder sich populistisch als Funktionsträger zu Versprechungen hinreißen lässt, man würde härter durchgreifen, darf sich nicht wundern, wenn er auf die Nase fällt.

 

Ein Stadion ist kein Flughafen und selbst wenn es einer wäre, würden wir da trotzdem reinkommen. Der Gästeblock gehört uns Fans! Wer dort etwas verändern will, muss den Dialog mit uns suchen. Mag sein, dass das kein rechtsfreier Raum ist, aber es ist exekutionsfreier Raum, den wir nicht aufzugeben bereit sind. Ein Refugium der Rebellion und der Fankultur. Und wir Fans kriegen die Dinge, die wirklich zu regeln sind, schon geregelt. Und fühlen uns pudelwohl bis in die letzten Reihen:

FOTO Einklatschen

 

Opa hatte noch Zeit, seine Fahne aufzuhängen…

FOTO Fahne

 

...und ein paar Fahnen zu bewundern. Immer wieder beeindruckend, wie viele Exilherthaner es gibt, exemplarisch möchte Opa heute die Fahne der Freunde aus Siegen vorstellen...

FOTO Siegen

 

...deren Motto “Lieber verlieren als Siegen” ist und damit die wunderbar feingeistige Ironie von Fans beweist. Grüße ins Siegerland von Opa!

 

Endlich rollte der Ball und wenn Hertha eins verlässlich kann, dann ist es, Chancen auf größeres zielsicher zu verkacken. Da hat Hertha Opa noch nie enttäuscht! Dritte Minute Tor, aufgelegt ausgerechnet durch einen Ex-Herthaner und verwandelt von einem Ex-Gesindelkirchener, die Stimmung war erstmal im Arsch und man guckte in die selben Gesichter, die schon beim Abstieg in Düsseldorf ratlos und leer dreinblickten und wo man förmlich die Gedankenblasen “Warum tu ich mir das an?” über den Köpfen lesen konnte.

 

Das 1:1 gab neue Hoffnung, der Block tobte, es gab Bierduschen (gehört dazu im Gästeblock und wer sich auskennt, weiß, dass man da eine Funktionsjacke tragen sollte), grenzenloser Jubel, denn damit müsste man durch sein, die Dänen würden nie noch 2 Tore schießen. Doch schon 3 Minuten später lag erneut ein Ball der Dänen im Netz. Das würde trotzdem noch reichen.

 

Die zweite Halbzeit Halbzeit begann mit einer ordentlichen Choreo. Fotos davon gibt´s im Netz ja reichlich. So sah das von innen aus: 

FOTO Choreo  

 

In der 7. Minute der zweiten Halbzeit drückte uns wieder der Ex-Spieler aus Gesindelkirchen die Pille ins Netz, die Dänen rasteten auf den Rängen vor Freude regelrecht aus, das Stadion tobte und stimmte obendrein Schmählieder auf Hertha an, die sie offensichtlich von ihren Freunden aus Rostock gelernt hatten. Die Stimmung im Block von Hertha war eh schon nicht die beste, die Vorsänger gaben sich redlich Mühe, irgendwie noch Unterstützung rauszukitzeln, aber im Grunde genommen wusste jeder, dass das Ding verkackt war. Wie immer. Hertha, die zuverlässige. We fail, der neue, selten dämliche Sinnspruch, den sich die Verantwortlichen von einer Werbeagentur für teures Geld hatten andrehen lassen, wurde in Reinkultur zelebriert. Opa hat nichts gegen eine offene Fehlerkultur, aber wenn man nicht draus lernt, kann man sich mit solchen Lippenbekenntnissen die Krümel vom Arsch abwischen. Opa fällt darauf jedenfalls nicht hinein und es ist ihm auch egal, dass er zu keinem offiziellen Event von Hertha mehr eingeladen wird. Opa will da auch gar nicht hin.

 

Ergebnis im Arsch, Stimmung im Arsch, naja, wenigstens hatten wir nochmal ein schönes Feuerwerk und illuminierten das Stadion von Bröndby mit einer weiteren Seenotübung, wir mussten schließlich noch Fähre fahren, Verantwortungsbewusstsein und so.

FOTO Seenotübung

 

Einige ließen ihren verständlichen Frust an Werbebanden aus, andere beschäftigten sich mit der besten Technik zum Entfernen von Sitzschalen und andere traten aus Frust gegen vandalismussichere Edelstahlrolläden vor den geschlossenen Kiosken. Opa hätte auch gern gegen irgendwas getreten, denn Opa brauchte auch eine Eistonne, die war aber nicht in Sicht. Stattdessen entdeckte Opa ein Symbolbild dieses Spiels. Ein brennender Becher auf der Treppe, leicht verglimmend wie die Hoffnungen der Fans:

FOTO Glimmender Becher

 

Vorbei am herausgetretenen Gästeblocktor, was einsam und verlassen an den nackten Sichtbeton lehnte…

FOTO Tor

 

...und dem bedauernswerten Zapfen der Torangel, der wohl nachgeschweist werden muss…

FOTO Zapfen

 

...ging es zum Parkplatz, denn wir hatten noch eine theoretische Chance, die Fähre vom Tagesticket zu bekommen. Plötzlich gab´s unübersichtliches Geschepper und Gerenne hinter den Bussen. Man hatte wohl entdeckt, dass der Bauzaun, der den Gästeparkplatz trennte, nicht ganz so stabil war wie für den Zweck erforderlich. So schnell, wie man den Zaun offen hatte, so schnell flitzten viele, als hätten dahinter 1000 Wikinger gestanden. Dabei waren hinterm Zaun - wie Opa zugetragen wurde - wohl nur gut zwei Handvoll Behelmte und ein paar Steineschmeißer. Legen wir lieber den Mantel des Schweigens darüber, es gab schon genug Grund, sich zu ärgern.

 

Gefrustet vom Ergebnis übten wir uns in Zwecksarkasmus. Man habe es immerhin geschafft, eine ganze Europapokalsaison auswärts zu fahren, ohne auch nur ein Spiel auszulassen. Gnarz, “ham’ wa die verhaun”, “jeder Verein kann man ein schlchtes Jahrhundert haben” - es ist zum Kotzen, was man als Herthafan für ein Repertoire an Sprüchen hat. Und noch mehr zum Kotzen ist es, dass absehbar ist, dass die üblichen Verdächtigen den Käse schönschreiben werden. An so einem Abend geht Opa lieber aus dem Weg und haltet einfach die Fresse. Da ist Dampf im Kessel.

 

Passend zur Stimmung fing es auch noch an zu regnen. Opas Mitgefühl galt den Fahrern, die sich durch die Nacht quälen mussten. 

FOTO Nachtfahrt

 

Zehn Minuten zu spät erreichten wir den Hafen, nun hieß es zweieinhalb Stunden rumkriegen. Eine überaus freundliche Hafenmitarbeiterin checkte uns ein, war aufrichtig erfreut, als sich Opa mit “mange tak” bedankte und wünschte uns eine gute Reise. Boah, waren die Dänen alle freundlich, das wirkte in Opas Druckkessel wie ein Katalysator.

 

Was macht man in einem Fährhafen, der außer einem Klohäuschen (immerhin sauber) und ein paar Snackautomaten nichts zu bieten hat? Nun, man kann Bankyoga machen…

 

FOTO Bankyoga

 

...oder sich um die ordnungsgemäße Kennzeichnung von Sachbeschädigungen kümmern:

 

FOTO Wir kleben oben

 

Einigermaßen pünktlich legte die nagelneue (und unter ein paar Kinderkrankheiten leidende) Fähre mit dem wunderschönen Namen “Berlin” an und nahm uns in ihrem großzügigem und hellen Bauch auf. Nach beschwerlichem Aufstieg im Treppenhaus gelangten wir an Bord des hübsch und modern eingerichteten Schiffes. Hihi, überall Wachschutz im Weg stehend, Doppel- und Dreifachstreife laufend. Man war wohl ein wenig über die Gemütslage der rückreisenden Herthafans besorgt, die aber überwiegend einfach nur müde waren und auf Tischen, Bänken und Stühlen ein wenig Schlaf zu bekommen versuchten und dabei lustige Positionen einnahmen, wie dieser Yogi, der es trotz Drehstuhl, auf dem seine Beine lagen, schaffte, nicht von der Bank zu fallen:

FOTO Yogi  

 

Ein paar aufgedrehte Herthaner machten sich einen Spaß, einen nichtexistenten Kevin zu finden und quatschten jeden voll oder an, ob sie Kevin gesehen hätten. Wachschutz, schlafende Passagiere, Shoppersonal, Mannschaft, jeder wurde gefragt, keiner wurde gefunden. Naja, jeder verbringt die Zeit auf seine Art und Weise. Opa ließ seinen Blick schweifen. Was war das? Kinder, Kinder, müssen wir uns Sorgen machen um den Fannachwuchs? Früher lagen wir auch erschöpft in Wartehallen, aber da lagen neben uns leere Schnapsflaschen. Heute scheint die Jugend von ein paar Caprisonne umgehauen zu werden:

FOTO Capri Sonne

 

Dazu erzählten wir uns noch lustige Geschichten, wie jeder die Geschehnisse des Spiels und des Drumherums erlebt hatte. Der eine echauffierte sich, dass man vor einem Dutzend Bullissei geflitzt sei (das würde dann aber zur Caprisonne passen), ein anderer erzählte, dass einer der Sturmmaskenträger seinen Bengalo nicht anbekam. Der las sich erstmal in Ruhe die Anleitung durch und als er dann - auch unter Mithilfe der unmaskiert danebenstehenden - gerafft hatte, wie das Ding angeht, erloschen schon die ersten Bengalos und er nahm wohl Abstand von seinem Ansinnen. Oh je, für die Zukunft müssen wir “Silberrücken” wohl noch ein paar Nachhilfestunden in Sachen “ziviler Ungehorsam und Seenotübungen” geben. Für den betreffenden Herrn: Ein Bengalo ist einfacher anzubekommen als das mit dem Lied mit dem Nippel und der Lasche, in dem die Beschreibung “Sie müssen erst den Nippel durch die Lasche zieh’n und mit der kleinen Kurbel ganz nach oben dreh’n. Da erscheint sofort ein Pfeil, da drücken sie dann drauf und schon geht die Sache auf” lautet. Beim Bengalo hingegen: Kappe ab, Schnur ziehen, fertig. Wer dafür eine Bedienungsanleitung braucht, sollte entweder vorher üben oder sich an Seenotübungen nicht beteiligen. So. Immerhin hat der Kollege es so in Opas Reisetagebuch geschafft. Opa bringt dich ganz groß raus :D

 

Noch eine witzige Randanekdote: Im Boardshop verkaufen Sie folgenden Rum mit einem durchaus außergewöhnlichen Namen:

Als wir in Berlin ankamen, war es halb sieben früh. Menschen wuselten am Gesundbrunnen Richtung Arbeit und Opa fragte sich, ob es nicht besser gewese wäre, das auch zu tun anstatt zwei Tage Urlaub für den dargebotenen Käse zu opfern. Aber Opa kann nicht anders, als sich den Mist reinzuziehen. Opa ist abhängig davon. Nicht von Hertha, aber vom Auswärtsfahren. Es gibt trotz der Leiden und Mühen, trotz des Ärgers und der Bullissei kaum etwas großartigeres als diesen Lebensstil, den andere wohl nicht ganz zu Unrecht als “Assitum” bezeichnen würden.

 

“Assi” findet Opa eher das Erlebnis des Freundes, der vor der Saison meinte, er fahre die kommende Saison in der Liga nicht so viel auswärts, weil er lieber international reisen würde, um dann am Tag des Spiels in Kopenhagen in Spanien im Familienurlaub zu weilen. Zur Terminplanung eines geübten Auswärtsfahrers gehört eben immer der Rahmenterminplan. Andererseits hat er ja nicht so viel verpasst. Oder doch? Vermutlich wird das das einzige internationale Spiel von Hertha in zehn Jahren gewesen sein. Opa war dabei.