Opas Reisetagebuch - 17.12.2016 - Leipzig – Hertha, quo vadis?

Prolog

Lang war Opa nicht mehr auswärts gefahren, irgendwas kam immer dazwischen, Urlaub, Unlust, Laubenpieperverpflichtungen und die wenig attraktiven Reiseziele taten ihr übriges, dass Opa daheim blieb. Wobei, so ganz stimmt das nicht, denn Opa hat schon einiges erlebt seit dem letzten Tagebuch. Nur eben Hertha auswärts war nicht dabei, wenn man mal von der Pokalfahrt nach Hamburg absieht, von der es zwar ein Tagebuch gibt, aber Opas überwiegend niedergeschriebener Groll ist erstmal nicht für die Veröffentlichung gedacht, obwohl es schon lustige Ereignisse gab wie dass die Herthaner bei der Becherspendenaktion natürlich exakt 1892 Becher spendeten, was Opa natürlich als Chronist solcher Ereignisse fotografisch festhielt. Die Spendensammlerin war überglücklich :D

FOTO Becherspendenaktion

 

Ansonsten sind einige aus Hamburg mal wieder mit einem blauen Auge zurückgekehrt, was so oder so ähnlich aber irgendwie absehbar war. Erfreulicher war hingegen die Hochzeit eines deutsch-amerikanischen Paars, welches auf dem Hochzeitsfoto natürlich auch der alten Dame gedacht hat.

FOTO Washington Monument

 

Zwischenzeitlich war auch Halloween, wo Opa zum Alptraum sammelnder Kinder wird. Denn wenn pubertierende Jugendliche bei Opa mit ner Pulle Bier in der Hand und ner blauen IKEA Sammeltüte unterm Arm klingeln, macht Opa relativ deutlich, was er von diesem heidnischen Brauch hält. Süßigkeiten sind eh schlecht für die Zähne, das Süße wandelt sich im Mund eh zu Säure um und wenn Opa so rumnörgelt, vergeht den meisten „Süßes oder Saures“ Plärrern die Lust und belangen dann andere Nachbarn. Man muss eben nicht alles mitmachen.

 

Opa entdeckte zwischenzeitlich witzig-widersinnige Schilder auf Amateurplätzen...

FOTO Fußballspielen verboten

 

...wollte mit seinen Hoppingkumpeln eigentlich zum Wasserball. Dass man schlussendlich an dem Abend beim Eishockey landete, war weniger den bitterkalten Temperaturen und einem zugefrorenen Wettkampfbecken geschuldet, sondern hatte - nennen wir das mal – „organisatorische“ Gründe. Nach einer Odyssee durch die halbe Stadt, wo wir nach Ankunft erfuhren, dass das Spiel ganz woanders stattfindet, strandeten wir bei einem unterklassigen Eishockeyspiel im Eisstadion Neukölln, welches man wahlweise bibbernd auf der Tribüne oder aber vom geheizten Ruheraum verfolgen kann, wo einem eine durchaus attraktive „Spielerfrau“ dann noch ein paar Rand- und Hintergrundinformationen gibt. Freier Eintritt inclusive :D

FOTO Eishockey

 

Auch der Fußball bleibt von wetterbedingten Ausfällen nicht verschont. So mussten wir bei einem Spiel von Herthas Ama zwee unverrichteter Dinge wieder abrücken, weil der Schiedsrichter den Rasenplatz als nicht bespielbar einstufte und die Mannschaften sich nicht einigen konnten, auf dem Kunstrasenplatz nebenan zu spielen. Dafür wurde dann auf Herthas Akademieplatz für die U-Mannschaften am Nordufer ein Spiel der „alten Herren“ der Ü32 besucht, die gegen eine recht hitzköpfige Mannschaft von Hellas spielten. Donnerwetter, war da Feuer drin incl. Schirischubsen, roten Karten und diskutierenden Funktionären auf dem Spielfeld und einem nicht das Spielfeld verlassen wollenden Spieler mit Platzverweis. Großes Kino, aber völlig überflüssig.

 

Highlight Rugby – Leipzig kann ein guter Gastgeber sein

Ende November stand noch ein Highlight an, auf das sich Opa wochenlang gefreut hatte. Ein Spiel des deutschen Rugbynationalteams gegen Brasilien im altehrwürdigen Bruno-Plache-Stadion in Leipzig. Das Stadion, in dem normalerweise Lok Leipzig seine Heimspiele austrägt. In einem von insgesamt 4 Bussen von Rugbyfans allein aus Berlin (!) ging es nach Leipzig. Das Stadion, in dem einst mit dem VfB Leipzig der erste deutsche Fußballmeister spielte, bietet neben „DER“ Lok...

FOTO Lok

 

...noch eine irre Tribünenkonstruktion:

FOTO Tribüne

 

Original aus dem Jahr 1932, einst die größte privat finanzierte Tribüne Deutschlands, komplett aus Holz und daher überall Warnschilder, Feuerlöscher und Ordner, für die es an diesem Tag nichts zu tun gab und die es daher auch nicht interessierte, dass sich Opa mit ein paar Kumpels in den VIP Bereich schlich, der mit sozialistisch-homoerotischer Dekoration aufwartet.

FOTOS Wanddeko

 

oder das Spiel mit Stehplatzkarten von kommod gepolsterten Sitzen der Pressetribüne verfolgte. Einzig der hinter uns kommentierende Sport1 Kommentator war zwischenzeitlich dezent verwirrt ob unserer „Fröhlichkeit“ :D

 

Besonders stolz ist man bei den Lokies aber über ein Gerät namens Beerjet, einer Zapfanlage, die gleichzeitig 6 Bier ausschenken kann. Opa hatte zwar davon gelesen, aber das Ding noch nie live in Aktion gesehen.  

VIDEO Beerjet

 

Abseits des Besitzerstolzes wurde Opa allerdings gesteckt, dass die Anlage nicht nur den Gegenwert eines Mittelklassewagens darstellt, sondern auch von mindestens 2 eigens eingewiesenen Personen bedient werden muss und wohl öfter mal ausfällt. In jedem Fall muss man eine Menge Bier verkaufen, bis sich das Ding rechnet. Opa hat mit der Berliner Rugbytruppe jedenfalls eine Menge zur Amortisation beigetragen :D

 

Am Rande fiel Opa ein Ordner auf, der mit einer blauweißen „Berlin“ Mütze auf dem Kopf dort stand. Schnell war man im Gespräch, schnell war klar, dass er in Leipzig lebender Herthafan ist, stolz zeigte er seine Dauerkarte und man verabredete sich demnächst mal in Berlin auf ein Kaltgetränk oder mal zu einem Wiedersehen beim Hoppen zu einem Spiel von Lok.

FOTO Berlin Mütze

 

Rugby wurde auch gespielt. Bei Temperaturen unter Null Grad ist es faszinierend, wenn die Spieler ein Gedränge bilden und es über dem Gedränge „dampft“. Eine heiße, durchaus hochklassige Partie, die Deutschland gegen die Brasilianer haushoch gewann, was der Freude der mitgereisten brasilianischen Fans aber keinen Abbruch tat, die mit ansteckenden Sambarythmen der Kälte entgegentanzten. Selbst der größte Muffel wird irgendwann von den Klängen einer Sambakapelle mitgerissen und wird wenigstens mal mit dem Fuß mitwippen.

FOTO Sambacombo

 

Wäre mal der Fußballausflug wenige Wochen später zum Brauseclub mal auch so harmonisch und fröhlich verlaufen. Denn Leipzig kann ein echt netter Gastgeber für Sportveranstaltungen sein. Doch dazu später mehr.

 

Mitgliederversammlung – angewandte Dialektik

Zwischendurch stand traditionell noch die Mitgliederversammlung von Hertha an. Bei der Präsentation der Zahlen wurde den Mitgliedern ein sattes Defizit von mehreren Millionen Euro präsentiert. Dass aufgrund einer Überperformance in der letzten Hinrunde die Prämien für die Spieler höher steigen als die Einnahmen, das kann Opa ja durchaus noch nachvollziehen, dass man das den Mitgliedern aber als „strategisches Defizit“ schönzureden versucht, ist dann schon für Opas Geschmack ein wenig zu euphemistisch. Und es zeigt auch, dass man die Zeiten, da man bei Hertha von Vorgriffen auf zukünftige Einnahmen lebte und die den Verein massiv in Schieflage brachten, nicht hinter sich gelassen hat. Der Vorgänger wurde deswegen aus dem Amt gejagt, die jetzigen Funktionäre lassen sich dafür feiern, dass man die Truppe, die über dem Budget liegt, irgendwie zusammenhält. Naja, jedenfalls wird man sich dann nicht mehr anhören müssen, man müsse ja auch mal gucken, wo man herkäme und man sei ja so bettelarm. Mit dem Lizenzspieleretat ist man keine arme Kirchenmaus, sondern spielt im Mittelfeld der Liga mit. Und daher wird man auch sportliche Leistungen auf diesem Niveau erwarten können. Wenn es je in den letzten Jahren so etwas wie Demut gegeben haben sollte, hat man die an diesem Abend über Bord geworfen.

 

Die Hertha - Flaggschiff oder Seelenverkäufer?

Apropos über Bord werfen. Putzige Hostessen in noch putzigeren Kostümen, die einem schlechten Porno entsprungen sein könnten, warben für das „Gründungsschiff“, was ja bekanntermaßen kein Gründungsschiff ist, sondern nur Namensgeber. Opa war schon skeptisch, als sich im Zusammenhang mit den letzten Präsidiumswahlen zwei Präsidiale dafür feiern ließen, sie hätten die Hertha heimgeholt. Denn an der Geschichte gibt es einige Merkwürdigkeiten, die sich auch nicht so schnell werden ausräumen lassen. Dennoch sammelt man schon Interessenten, die das Unternehmen „Hertha“ finanzieren sollen. Die Hertha ist scheinbar also noch lange nicht sicher und sie gehört dann auch nicht dem Verein, sondern dem Verein „wohlgesonnenen“ Personen, die Kommanditkapital sammeln, um den Transport und die kostspielige Restaurierung zu finanzieren. Was passiert, wenn nicht genug Kapital zusammenkommt? Wie viel Kapital überhaupt benötigt wird? Wie eine spätere Nutzung aussieht? Je konkreter die Fragen, umso ausweichender die Antworten. Nicht alles lässt sich mit „aber hey, ihr Name kommt auf ein glänzendes Messingschild am Rumpf“ überdecken. Diese Thematik bedarf offensichtlich einer kritischen Begleitung und man darf gespannt sein, was am Ende in den von der Bafin genehmigten Dokumenten tatsächlich steht. Und die Fachleute, mit denen Opa zu diesem Thema zusammengesessen hat, sind weiterhin sehr, sehr skeptisch, dass das zu einer Erfolgsstory wird.

 

Fragen ohne Antworten

Apropos Erfolgsstory, man darf ja mal gespannt sein, ob das seit beinahe 10 Jahren angekündigte Museum dann zum 125. Jubiläumsjahr tatsächlich eröffnen wird und was dieses beinhalten wird. Nach dem ebenfalls ähnlich lang versprochenen Fanhaus und den damit verbundenen Geldern, die man gesammelt hat, sollte auch mal jemand fragen. Es ist zu befürchten, dass die Antworten da ähnlich dünne ausfallen wie zu der Thematik Schiff.

 

Das Stadionthema

Aber man wäre ja nicht Hertha, wenn man nicht ein „Ablenkerthema“ hätte. Diesmal sogar gleich zwei. Denn zum einen ließ man sich für die Vertragsverlängerung von Stürmer Ibisevic feiern, bei der sich dann im Nachgang herausstellte, dass Hertha da einige Kröten, u.a. eine Ausstiegsklausel, schlucken musste. Diese Art Placebojubel kennt man ja schon. Aber das eigentliche Aufregerthema war die Stadiondebatte. Hertha hat bekanntermaßen eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die im Februar präsentiert werden soll. Teile daraus sickerten im Vorfeld der Mitgliederversammlung durch.

 

Ob diese „Kommunikationsstrategie“ nun sonderlich geschickt ist, sei mal dahingestellt, Opa hat da leise Zweifel dran, denn mit jedem Madigmachen des Olympiastadions scheint man bei Hertha vergessen zu haben, dass man diesen Kasten noch fast zehn Jahre wird vermarkten müssen. Wenn man also mal wieder mit ratlosem Kuhaugenblick berichtet, dass zu wenige Zuschauer den Weg ins Olympiastadion finden, wird man in diesem Madigmachen eine der vielen Ursachen finden, weshalb das so ist. Opa ist schon klar, dass Hertha gegenüber dem Senat eine Drohkulisse aufbaut und das ein Teil davon ist. Ebenfalls klar ist, dass bei rationaler Betrachtung ein Standort außerhalb Berlins durchaus sinnvoll sein kann. Dass das aber ein emotionaler Tabubruch ist, sollte an dem Abend klar geworden sein.

 

Herthas Präsidium tut gut daran, die Fans bei diesem Thema besser mitzunehmen. Wenn das wie traditionell damit endet, dass der Herr Präsident einige Mitglieder anschnauzt, wird das schwierig werden. Für alle. Und dass man ausgerechnet den Planer des Pannenflughafens BER mit der Machbarkeitsstudie beauftragt hat, sollte nicht nur eine Randpetitesse sein. Hertha will ein eigenes Stadion? Die selben Menschen, die das mit dem Museum oder dem Fanhaus seit Jahren nicht auf die Kette kriegen? Ernsthaft?

 

Ja, genau da zeigt sich die Seele von Hertha. Keen' Sechser in der Tasche, aber „was kost' die Welt“ fragen. Passt zu Berlin. Aber passt das auch zu einer Zweihundertmillionenplusx-Investition? Eine Investition, die immerhin die Existenz des Vereins kosten kann, wenn etwas schiefgeht? Opa versteht, dass es mit dem jetzigen Stadion Hemmnisse gibt. Die suboptimale Architektur, der Denkmalschautz, die Cateringrechte oder abstrus weite Wege zu den Toiletten und Kiosken, was für sich genommen schon Millionen kosten dürfte. Dass sich Hertha Gedanken macht, wie ein Stadion aussehen könnte, ist absolut richtig. Wie man es angeht und wie man es dimensioniert, erscheint Opa aber ein wenig größenwahnsinnig zu sein.

 

Rechnet man aus dem Zuschauerschnitt die Gästekarten heraus und bedenkt man, dass allein bei den beiden sicher ausverkauften Topspielen gegen Biene Maja und die Bauern sicher mehr als 20.000 Karten an Gästefans weggehen und dies ein Kontingent darstellt, welches man so in einem eigenen Stadion nicht zur Verfügung haben wird, dann liegt der organische Zuschauerschnitt bei rund um ca. 40.000 Zuschauern. Wohlgemerkt incl. tausender Freikarten, LIDL- und Groupon-Ramschtickets. Dass eine neue Arena neue Zuschauer zieht, ist sicher richtig, aber zieht eine neue Arena eine fünfstellige Zahl von Fans dauerhaft ins Stadion? Wenn das dann noch am Stadtrand liegt, per ÖPNV schlechter zu erreichen ist? Kalt ist es in den modernen Arenen schließlich auch. Die Kernbotschaft an alle Herthaverantwortlichen ist: Spielt nicht mit der Existenz unseres geliebten Vereins! Und verkauft uns Mitglieder nicht für dumm! Überlegt Euch gut, was ihr tut. Hertha ist nicht irgendein Wirtschaftsunternehmen, sondern ein Sportverein, der von seinen Mitgliedern getragen wird und dessen Mitglieder und Fans mitgenommen werden müssen. Ernsthaft und aufrichtig und nicht per Pseudodialog mittels vorgefertigter und sanft moderierter Fragen. Das mag anstrengend sein, aber es ist für den Erfolg oder Mißerfolg von entscheidender Bedeutung!

 

Harmonie zu Weihnachten? - Nicht bei Hertha und was RB damit zu tun hat

Während auf den Weihnachtsmärkten der Stadt ob des fehlenden Schnees und zwischenzeitlich frühlingshaften Temperaturen nur mäßige Weihnachtsbesinnlichkeit aufkommen mag, knistert es bei Hertha im Gebälk. Via Spruchband wurde der Rücktritt des Präsidenten gefordert. Eine barsche Reaktion auf das barsche Anpöbeln von Mitgliedern durch den Präsidenten, weil die Vorstellungen vom richtigen Umgang mit dem Dosenclub aus Leipzig deutlich auseinander liegen. Dieses gegenseitige Anpöbeln charakterisiert den wahren stattfindenden Dialog und steht stellvertretend für vieles, was schiefläuft. Auf vielen Ebenen. Es gibt ein Präsidium, was die Fans zu selten emotional mitnimmt. Und es gibt Teile der Ultraszene, die ihrerseits Schwierigkeiten haben, andere Fans für ihr Thema mitzunehmen. Und dann gibt’s da noch Journalisten, die deutlich erkennbar massive Schwierigkeiten haben, über Fanthemen zu berichten und da nicht zum ersten mal und nachweislich mit Halb- und Unwahrheiten Meinung in eine bestimmte Richtung zu machen, um Fananliegen oder diejenigen, die selbige thematisieren, zu desavouieren oder unglaubwürdig zu machen. Da wird auch nicht davor zurückgeschreckt, mit dem Generalvorwurf von Homophobie zu hausieren. Wer gegen vereinsfremde Farben ist, wird auf eine Rolle als Schwulenhasser reduziert.

 

Das zeigt sich auch beim Umgang mit dem Dosenclub, der als hinzunehmender Teil einer Entwicklung dargestellt wird, die eh nicht aufzuhalten ist. Wer darauf hinweist, dass das mit Fairplay nichts mehr zu tun hat, dass das viele Geld den Sport kaputt macht, wird wahlweise als Störenfried oder romantisch-naiver Träumer diffamiert, dem es nur darum ginge, die Party zu stören. Ja, man kann sich das so einfach machen, vor allem, wenn Sportjournalisten längst jede Distanz zu dem, worüber sie berichten, verloren haben. Weil sie Teil des Systems sind und das Premiumprodukt nicht beschädigt werden darf. Wer sich dem Konsum in den Weg stellt, wird zur Seite geschoben, von Diskussionen ausgeschlossen oder mit Verweis auf das „Hausrecht“ vor die Tür komplimentiert.

 

Warum RB so verhasst ist

Nirgendwo zeigt sich das so deutlich wie bei der Debatte über den Dosenclub. Einige wenige, handverlesene „pro forma“ Mitglieder, die stimmberechtigt sind und selbiges nur im Interesse ihres Arbeitgebers ausüben. Mit unfassbar viel Budget und einer atemberaubenden Dreistigkeit hat man über alle Hürden hinweg sich in die Bundesliga geschmiert und die Liste derjenigen, die sich am Sport versündigt haben, ist ellenlang. Es geht los vom sächsischen Fußballverband, der bestimmungswidrig die Übernahme einer in der 5. Liga spielberechtigten Mannschaft durch RB zustimmte. Das Finanzamt Leipzig, welches dem der Vermarktung eines Getränks dienenden Vereins die Gemeinnützigkeit bescheinigt, was für Vereine zwingende Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im DOSB ist, ohne die es keine Lizenz gibt. Der DFB hätte RB mit dem Aufstieg in die 3. Liga stoppen können, die DFL bei Aufstieg in die zweite. Schon damals gab es massive Proteste von Fans, die Macht des Geldes war am Ende zu groß. Und der deutsche Sportjournalismus hat auch seinen Anteil daran, indem Teile die Proteste in die o.g. Ecke stellten, weil es ihnen entweder fahrlässig an Empathie fehlt, sich in die Fanseele hineinzudenken oder weil es vorsätzlich gegenläufige Interessenlagen gibt, immerhin ist der Brausehersteller ja auch Anzeigenkunde. Und so wurde das ungeschmeidige Werbekonstrukt durch die Ligen nach oben begleitet, bis die meisten achselzuckend resignierten. Wer dagegen protestiert, kriegt auf die Finger. Doch dazu später mehr.

 

Amateurfußball – es kann so schön sein

Opa braucht zu diesem ganzen aufreibenden Gezicke und politischen Ränkespielen Erdung, die er sich beim Amateurfußball und anderen Sportarten holt, wo Menschen aus überwiegend nichtkommerziellen Motiven packenden Sport liefern. Es stand eine weitere Runde im Berlin Pokal an. Eigentlich wollte Opa ja zu Ama zwee, doch das Angebot, Tasmania gegen BFC zu sehen, war einfach zu reizvoll. Der „erfolgloseste“ Berliner Verein gegen den „Rekordmeister“ versprach unterhaltsam zu werden, denn beide Vereine verfügen über eine durchaus wahrnehmbare Fanszene, die jedoch unterschiedlicher kaum sein könnten. Während bei Tasmania gut zwei Handvoll wackerer Anhänger, überwiegend Typus Neukölln-Hipster, versuchen, mit alten Schlachtrufen wie dem legendären „Ra-Ra-Ra-Tasmania“ auf sich aufmerksam zu machen, werden die Bifis dann doch meist ihrem Ruf gerecht und erscheinen mit weniger „feinem“ Publikum.

 

Statt wie sonst üblich im Stadion Neukölln wurde das Spiel auf den Platz Britz Süd ausgetragen. Schon beim Ausstieg aus dem Bus wurde klar, dass auch die Berliner Behelmten dem Spiel einiges an Aufmerksamkeit schenken. Mobile Scheinwerferanlagen beleuchteten die Zuwege, gefühlt ein Behelmter pro Fan mit sichtbarer Präsenz war eine ordentliche Ansage, es fehlten nur berittene und der Hubschrauber. Die Einlasskontrollen äußerst pingelig (so pingelig ist Opa schon lange nicht mehr beim Fußball kontrolliert worden) und trotz aller Pingeligkeit wurde Opas Trinkbeutel, den er als Flachmannersatz mit sich führt, nicht gefunden. Naja.

 

Opa bekam ein mäßig sehenswertes Spiel präsentiert. Der Klassenunterschied war schon deutlich zu bemerken zwischen dem Regional- (4. Liga) und dem Berlinligisten (6. Liga) liegen immerhin 2 Spielklassen. Während der mit rund 250 Fans erschienene BFC Anhang den Glühwein- und Bierstand leertrank und sonst kaum akustisch zu vernehmen war, gaben die zwei Handvoll Tasmanen Vollgas. Sogar Zaunfahnen gab's zu sehen.

FOTO Zaunfahnen

 

Tasmania kämpfte zwar wacker, aber gegen die Bifis gab's nichts zu holen und so siegte der Ex-Rekordmeister nach einem Doppelschlag in Minute 51 und 54 mit 0:2 und sprang damit nicht höher, als man musste. Den Abend ließ Opa mit seinen Begleitern noch in der Kneipe schräg gegenüber ausklingen, was die Bedienung hinsichtlich der Zählung der konsumierten Getränke deutlich überforderte. Opa war am Ende aber zu voll, um das auszudiskutieren und zahlte laut protestierend die Zeche und versprach, den Laden nicht noch einmal zu betreten. Wer seine Kundschaft derart dreist abzockt, hat es einfach nicht verdient, dass Opa da trinkt.

 

Doch noch Weihnachtsharmonie?

Aber ja doch: Opas 85jährige Nachbarin und Ersatz-Oma hatte Opa letztes Jahr einen Stollen gebacken. Normalerweise ist Stolle nicht so seins, aber die Quarkstolle war derart lecker, dass Opa ihr das Versprechen abrang, in diesem Jahr gemeinsam zu backen. Und siehe da: Opas erste eigene Stolle:

FOTO Stolle

 

Ganz einfach, ganz lecker. Man braucht nur ein Backblech und eine Stollenform, die sich Opa bis auf weiteres erstmal bei seiner Hausoma ausleihen wird.

 

Reisevorbereitungen

Bei Leipzig als Nahziel wäre es ja naheliegend, mit dem Zug anzureisen, im Stundentakt gibt’s einigermaßen akzetable Regioverbindungen. Opa fragte herum, wer wie fährt und wollte sich zunächst einer Regioreisegruppe anschließen, als ihm wenige Tage später angeboten wurde, mit dem schon legendären Partybus zu fahren, ein Reisebus mit 12 Tischgruppen und als Highlight eine Zapfanlage. Wollte Opa schon seit Jahren mal mitfahren, nun war es soweit. Also der Reisegruppe in der Hoffnung auf Verständnis (was auch gegeben war) abgesagt. Schon ulkig, wo sonst Opa die Schrippenmutti macht und Vorräte zum Fortbewegungsmittel schleppt, musste er diesmal keinen Finger rühren. Für Getränke war gesorgt, für Speisen auch, Opa kam sich beinahe schon „nackig“ vor, so ganz ohne die sonst üblichen Utensilien zu fahren. Mit reichlich Puffer ging's los Richtung Abfahrtstreffpunkt, wo Opa aber erstmal ackern musste, denn das „leichte Reisegepäck“ läd sich leider nicht selbst in den Bus ;)

FOTOS Leichtes Reisegepäck

 

Anreise – Prominenz an Bord 

Im Bus wurde er platziert neben zwei Wirten von Lokalitäten rund um das Olympiastadion, die an Spieltagen mit ihrer Crew dafür sorgen, dass keiner verdurstet – quasi Lebensretter. Am Nachbartisch ein bekennender BVB Fan, der aber in seiner Eigenschaft als „Gönner“ des leichten Reisegepäcks dabei war, im Management einer Großbrauerei kann man sicher mal das eine oder andere Fässchen zwecks Bespaßung und Akquisition zur Verkostung organisieren. Und er ist auch im Fußball engagiert und hilft u.a. dem Berliner Fußballverband. Wirklich angenehmer Tischnachbar und ein guter Netzwerker. Und halt mit Zugang zum Braukessel, schon allein deshalb gäbe es einen Grund, mit ihm in Verbindung bleiben, vielleicht gibt’s demnächst ja mal ein Gewinnspiel auf Opas Reisetagebuch? ;)

 

Damit niemand im Bus sich kümmern muss, fuhr eine eigens engagierte Kellnerin mit, die sich liebevoll um die Getränkewünsche der Fahrgäste kümmerte und trotz reichlichen Dursts es immer schaffte, die Gläser vollzuhalten. Neben Bier wurde auch ein ganz passabler kubanischer Rum und ein amerikanischer Whiskey ausgeschenkt und so schwapperten wir Richtung Leipzig, wo mit jedem Kilometer die Stimmung stieg.

FOTO Busbedienung

 

Wenn man mit nicht ganz so erfahrenen Sudelauswärtsfahrern und dann noch mit dieser exponierten Prominenz unterwegs ist, muss man sich etwas zurückhalten, also wurden nicht die ganz derben Auswärtslieder angestimmt. Kurzes Päuschen zwecks Entlastung der Bordtoilette, Nervenberuhigung der Raucher und Essen fassen mit den üblichen Auswärtsritualen wie Gruppenpipi am Zaun oder dem Spiel, wie hoch klebt mein Aufkleber an der Laterne. Eine ganz normale Auswärtsfahrt eben.

 

Nun ist Leipzig so nah dran, dass man eins, zwei, schwupps schon wieder von der Autobahn runter fährt. Für die Durstigen unter uns war es ein Glück und Segen, dass man wegen einer Baustelle noch etwas im Stau stand, so dass noch der eine oder andere Tropfen die Kehle befeuchten konnte. Und dann war es endlich soweit. Unweit des Klärwerks eskortiert von nervösem Ordnungskräften, wurden wir an einem Uferweg des neben dem Stadion gelegenen Gewässers aus dem Bus gebeten. Ab hier hieß es laufen. Ein unbefestigter Weg, dezent matschig vom Regen der vergangenen Tage, das soll also moderner Fußball sein? Naja.

FOTO Matschboden

 

Dass RB Leipzig seine Gäste nicht sonderlich freundlich empfängt, war ja im Vorfeld schon klar, immerhin duldet RB Leipzig im Gästeblock wie kaum ein anderer Bundesligist kaum Freiraum für Fankultur. Das betrifft nicht nur Materialbeschränkungen wie Blockfahnen oder Doppelhalter, sondern auch inhaltliche Einschränkungen. So sind laut Stadionordnung ausdrücklich keine öffentliche Kritik an Verband, Verein oder der Person Dietrich Mateschitz zulässig. Auf deren Homepage heißt das dann so:

 

„RB Leipzig behält sich ein Verbot von Fanutensilien, Spruchbändern o.ä. vor, die sich gegen den gastgebenden Verein, Verbände wie DFB und DFL oder die Polizei richten.“

 

Ausdrücke gegen den gastgebenden Verein sind elementarer Bestandteil von Fankultur und nichts weiter als gelebtes Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese beinahe schon paranoide Regelungs- und Kontrollwut zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt RB. DAS ist es, was vielen anderen so sauer aufstößt.

 

Wo andere Vereine Gästefans Willkommen heißen und sich mal mehr oder mal weniger Mühe gibt, ein einigermaßen harmonisches Miteinander herzustellen, ist RB voll auf Konfrontation gebürstet. Das zeigt sich auch am Einlass, der als solcher gar nicht ausgeschildert ist. Stattdessen gibt es nur Verbotsschilder und zwei „Abnahme Gegenstände“ Schalter...

FOTO Abnahme Gegenstände#

 

...mit widerlich ruppigem Personal, was später noch für Aufregung sorgen sollte.

 

Im Stadion

Das Stadion ist eine Stadion-in-Stadion-Lösung. Das alte Zentralstadion ist dabei quasi erhalten geblieben und man hat eine neue Arena in das alte Stadion gestellt.  

FOTOS Stadion

 

Das führt dazu, dass reichlich Treppen zu steigen sind. Erst das alte Stadion rauf, dann die alte Tribüne runter und dann ins neue Stadion rein. Gewöhnungsbedürftig ist da noch milde ausgedrückt. Für gehbehinderte Menschen quasi nicht zu bewältigen und da nicht alle Herthafans Jungspunde sind, machte sich bei einigen älteren Herrschaften Unmut breit, der seinen Höhepunkt in folgendem Ausspruch dazu fand:

 

„Dachte bin uff Reha. Treppe hoch, Treppe runter - noch nie so viel Treppen gestiegen. Krass“

 

Wer das Treppensteigen bewältigt hat, wird von einer einigermaßen modernen Funktionsarena empfangen, die wie jedes dieser neuen Stadien mit viel nacktem Sichtbeton aufwartet. Schön ist anders, übersichtlich auch, denn um den Eingang zum passenden Block zu finden, muss man schon sehr, sehr genau hingucken oder das pampige Personal fragen. Auch in den Kiosken ist man nicht sonderlich gastfreundlich, was nicht nur daran liegt, dass ein Getränk namens „alkoholfreies Bier“ ausgeschenkt wird. Was übrigens ja schon mal gar nicht geht, Opa findet, dass ein alkoholfreies Getränk sich nicht Bier schimpfen dürfte. Muckefuck wird ja auch nicht als Kaffee verkauft.

Die Getränkeauswahl ist stark brauselastig. Die Körperverletzung in Dosen wird zu saftigen Literpreisen verkauft, es gibt zudem erstaunlich günstige Alternativgetränke (Apfelschorle 3 € für 0,5 l).  

FOTO Getränkekarte

 

Als Opa seinen Platz gefunden hatte, streifte er sich die weiße Mülltüte über. Zur optischen Unterstützung der Blauweiß-Kampagne war der Gästeblock Oberring in blaue Mülltüten, der Unterring in weiße Mülltüten gekleidet. Die Dinger sehen doof aus, tragen sich blöd, als einer draußen Opa damit über den Weg lief, musste er sich von Opa die Frage gefallen lassen, wo die Trillerpfeife ist. Kein Streikposten ohne Trillerpfeife :D

 

Das Spiel

Puh, also dass Hertha derzeit Personalsorgen plagen, ist das eine. Das andere ist, wie man darauf reagiert hat. Als Opa die Startaufstellung bekam, musste er sich erstmal die Äuglein reiben und in den Arm kneifen. Hatte Dardai nicht davon gesprochen, dem Youngster Jordan Torunarigha zum Debüt zu verhelfen? Stattdessen prangte da der Name Hegeler, dazu mit Schieber und Ibisevic zwei Stürmer, was mit Ansage Probleme im Mittelfeld gab. Wann hatten wir zuletzt erfolgreich 4-4-2 gespielt? Das muss gefühlt vor Favres Zeit gewesen sein.

 

So sehr Opa auch das Konstrukt RB verhasst ist, Fußball spielen können die. Und wie. Kein Verein ist derart aggressiv im Pressing, derart schnell im Umschaltspiel und spielt nahezu fehlerfrei Pässe in die Laufwege und Schnittstellen, dass es eine wahre Freude ist. Die spielten unsere Abwehr schwindelig und Herthas Mannschaft fand kein Mittel dagegen. Zwar wurde versucht, mit langen Bällen das Pressing in der eigenen Hälfte zu umgehen, wegen des faktisch aber nicht vorhandenen Mittelfelds gewann man vorn keinen Ball und wenn, dann keinen zweiten Ball und so war der Ball schneller wieder vor Jarsteins Kasten als es dem Herthaner recht sein konnte. Wären die Leipziger nicht so fahrlässig mit ihren Chancen umgegangen, hätte es eine richtig derbe Klatsche geben können. So aber verlor man „nur“ mit 2:0.

 

Dass man verloren hat, ist dabei durchaus verkraftbar. Das WIE kann, nein es MUSS einem Sorge bereiten. Derart blutleer, uninspiriert ist Hertha zuletzt in der Rückrunde aufgetreten. Hat man den Spielern schon wieder gesagt, dass man im Budget die Prämien nicht eingeplant hat? Dazu Verletzungssorgen, die Aussichten, dass man sich gegen Tabellenschlusslicht Darmstadt am Mittwoch blamiert, sind deutlich gestiegen, wenn man weiter so spielt. Wo ist die Hertha vom Dortmund Spiel, die mit Leidenschaft, Kampfgeist und selbstbewusstem Standardsystem den BVB am Rand einer Niederlage hatte und mit einem stolzen Punkt heimfuhr?

 

Und falls unsere Vereinsführung sich demnächst mal wieder über mangelnden Zuschauerzuspruch beklagt: Für den Käse, der momentan gespielt wird, wird man kein besonders großes Stadion benötigen, da sollte der Jahnsportpark vollkommen ausreichen. So etwas will keiner sehen. Das ist eine Beleidigung des Zuschauers. Und wer bei akutester Personalnot nicht einen Spieler aus dem Nachwuchs in die Mannschaft einbauen kann und stattdessen auf Jens „Volkssturm ohne Waffe“ Hegeler setzt, der soll die Akademie zusperren und sich das Palaver von der Nachwuchsarbeit sparen. Opa ist sauer bei so etwas.

 

Zum heulen

Unschön war auch, was während der zweiten Halbzeit passierte. Plötzlich rannten die eh schon sehr zahlreich vorhandenen und unglaublich präsenten Behelmten...  

FOTO Behelmte

 

...mit aufgesetzten Helmen die Treppe hoch. Ein Herthaner hatte sich irgendwie in der Wolle mit jemandem. Die mitgereisten Hertha Ordner hatten das in ihrer angenehm ruhigen Art aber schnell geklärt und überhaupt schien die Situation schon längst geklärt, die Helmträger zogen ab, als ein am Hals tätowierter Ordner offensichtlich arabischer Herkunft Marke „Wasguckstumeineschwesteran“ auf die Hertha Ordner losging, was ein erneutes Handgemenge auslöste und noch mehr RB Ordner dazustoßen ließ. Also kloppte sich ein Pulk Ordner, während die umherstehende Staatsmacht in Uniform und zivil das nicht weiter interessierte. Letztlich trennten ein paar Herthafans (!) die Streithähne und als die Situation erneut geklärt schien, machte „Stresserella“ weiter und hatte noch Klärungsbedarf. Hey Du, Ordner mit der 1073, Du bist eine Schande für Dein gesamtes Gewerbe. Am Ende saß ein Herthaordner heulend auf der Treppe und die Einsatzleitung der RB Security schien das alles nicht weiter zu interessieren, was Opas Einschätzung, dass denen Eskalationen solcher Art durchaus ganz recht sind, nur bestätigt.

 

Der Heimweg

Mit gedrückter Stimmung trabte Opa zum Bus. So ein Mist. Über den dunklen Matschweg mussten wir noch über die Brücke über das Gewässer hinweg zum „Busparkplatz“ - ein unbeleuchteter Uferweg. Ein Herthaner schien die Niederlage nicht so gut weggesteckt zu haben und schien etwas vor Wut ins Wasser geworfen zu haben, woraufhin eine Wanne mit Blaulicht vorfuhr und die gesamte Besatzung für 20 Minuten damit beschäftigt war, Personalien aufzunehmen und eine Anzeige zu schreiben. Und als das fertig war, fiel ihnen ein, dass sie keinen Alkotester hatten, der erst von einem anderen Funkwagen gebracht werden musste. Herrje, aber es erklärt, wie diese vielen Überstunden zustandekommen, wegen so einem Kiki solche Massivität an Kräften aufzufahren. 8 Wanneninsassen mal insgesamt 30 Minuten macht 4 Mannstunden, dazu noch 4 Mann aus dem anderen Auto wegen eines einzigen Fans und einer Lappalie. Unfassbar.

 

Opa wollte sich die Laune aber nicht verderben lassen. Im Bus erstmal ein frisch gezapftes an den Hals gesetzt und den Frust hinuntergespült. Unfassbar, gluckgluckgluckgluck, diese Aufstellung, gluckgluckgluckgluck, Hegeler, mensch HEGELER, gluckgluckgluckgluck, so eine Schxxße, gluckgluckgluckgluckmachmanoeins.... So langsam war die Busbesatzung vollständig und ab ging es über die nächtliche Autobahn Richtung Heimat. Der steigende Pegel sorgte nicht nur für erste Frustbewältigung, sondern vor allem für fröhliche Lieder, die zunehmend derber und lauter wurden und so gröhlte sich der Bus durch die Nacht. Sarkasmus machte sich breit und erste Wetten wurden abgeschlossen, wie hoch man wohl gegen den Tabellenletzten am Mittwoch verlieren würde. Apropos Wetten: Die wohl verrückteste Wette war wohl dieser Schein. Einer der mitreisenden hatte 401 € auf die Meisterschaft von Hertha gewettet. Wenn der Schein kommt, wird die Party wohl riesig. Aber da wir das gerade verkacken, ist das eh eher theoretisch.   

FOTO Wettschein

 

Gluckgluckgluck, oh, der Rum ist alle? „Dann mach mal 'ne Jackiemische und ein Spülbier, der Onkel hat Laune“ lallte Opa der charmanten Bedienung entgegen, die ein Mitreisender mit Aufklebern verschönert hatte. Opa schoss nochmal die Mitgliederversammlung durch den Kopf, wo der Präsident zu Forderungen, Hertha solle sich auch außerhalb des Spielgeschehens von RB distanzieren, gepoltert hatte, Hertha würde auf dem Platz die Antwort geben. Hat ja super geklappt. Nicht nur, dass man gerade sportlich Haue bekommen hat, man hat auch gleich noch Zwietracht zu den eigenen Fans gesäht. Es gibt Momente, da fragt sich Opa, warum er mit diesem Verein gestraft wurde.

 

Eine der im Stadionheimbereich verteilten Weihnachtsmützen wanderte durch den Bus. Opa und die roten Bullen? Aus Daffke kann man das ja mal machen.

FOTO Opas Weihnachtsmütze

 

Zwischenzeitlich trudelten die ersten Bilder des Spiels ein. Ja, das eine Spruchband war nicht gut. Angesichts der Poltereien des Herrn Rangnick und dessen arroganten Auftretens gegenüber Fans muss man aber schon die Frage stellen, wie groß sein Eigenanteil daran ist, dass es zu solchen Entgleisungen kommt. Opa findet, dass Fans deutlich besser Protest ausdrücken können. Und es gab übrigens noch andere Spruchbänder, darunter

 

„Unsere Anerkennung kriegt ihr nie,

in Leipzig nur Lok und Chemie“

 

oder

 

„Unsere Werte interessieren Euch einen Scheiß

Fußball ohne Red Bull und Hertha in blau-weiß“

 

oder

 

„Und dafür seid Ihr 1989 auf die Straße gegangen?“

 

Soll heißen, es gab ihn, den kreativen Protest. Und es gab auch kleine Pyro mit ein bißchen Rauch und einem Blinker. Von wegen pyrofreies Stadion.

 

„Wie, Jackie auch alle? Aber Bier ist noch da? Puh“ - Wir waren auf der Zielgeraden und gaben richtig Vollgas. „Und wir trinken das schäumende Bier... und wir scheißen dem Wirt auf die Theke...“ gröhlte Opa seinen beiden am Tisch sitzenden Wirten den Takt auf den Tisch trommelnd ins Gebetbuch. Auch Klassiker wie „Gina Wild“ und die „geile Olle“ konnte Opa nun zum besten geben. Naja, so das richtige Repertoire war das für Opas Mitreisende nicht, aber Opa war langsam in einem Zustand, wo er auch nicht anders konnte als im Sudel-Pöbel-Modus unterwegs zu sein.

 

Im Nu waren wir in Berlin und der Bus spuckte uns in die kalte Nacht. Ja, da fährt Opa bestimmt nochmal mit, allein schon, weil es kaum einen bequemeren Weg gibt, sich auswärts einen anzumuscheln.

 

Aber halt, auf einem Bein steht sich so schlecht. Auf dem Heimweg machte Opa noch ein paar Absackerzwischenhalte. Im Preußischen ging's los, wo es außerhalb von Spieltagen eher „westendig“ zugeht, feineres Publikum halt und nicht auf Opas Stimmungslevel. Also rein in die S-Bahn und ab zum Hecht, wo sich ein paar von Opas Kumpels zur Nachbesprechung einfanden. Gluckgluckgluckgluck, was für ein Kackspiel, gluckgluckgluckgluck, dieser Hegeler, gluckgluckgluckgluck, diese Aufstellung, also ne, gluckgluckgluckgluckichmusslangsamweiter.

 

Mit der U7 Richtung Neukölln, Heimat. Kurz im Wesereck einen Futschi auffe Hand, weiter zum lustigen Alfons in der Reuterstraße, eine so herzliche Kneipe, die sich vehement gegen die Gentrifizierung stemmt. Gluckgluckgluckgluck, was für ein Scheißspiel, gluckgluckgluckgluck, ja, Futschi nehm ick, gluckgluckgluckgluck, dieser Hegeler, gluckgluckgluckgluck, klar nehm ich noch einen, gluckgluckgluckgluckichsolltesolangsamnachhause.

 

Mit langsam zündfähigem Atem hinaus in die Nacht. An der Sonnenallee kurzer Blick auf die App, oh Mist, der Bus ist gerade weg. Opa sprach eine am Bus stehende junge Dame an, wo sie denn hinmüsse. Hertzbergplatz klang gut, teilen wir uns ne Kurzstrecke Taxi? Alles klar, rin in die Droschke und Abfahrt, vorbei an einer der besten Baklava Bäckereien der Stadt, diversen Shisha Bars neben verrauchten Eckkneipen mit briketthustendem Herthakernpublikum. Opas Kiez ist so wunderbar bunt und Opas Reisebegleiterin fiel wohl gerade die Fahne auf, die Opa mit ins Taxi trug :D Sie musste immerhin nicht lange leiden ;)

 

Noch schnell im Suffhunger zum Dönermann in der ehemaligen Bedürfnisanstalt (Spitzname Tollwutdöner) und ein Dreieck mitgenommen, was Opa größtenteils rund um den Küchentisch verteilte. Die Küche sah am nächsten Morgen aus, vor allem der Boden... unbeschreiblich :D

 

Aber das war es alles wert, eine tolle Auswärtsfahrt, tolle Mitfahrer, toller Bus, dazu eine herthatypische sportliche Leistung, die man gleichmütig erträgt wie die Großmannsucht derjenigen, die sportlich eine Antwort geben wollten und die wenig Gespür für die Fanseele haben. Die Zeiten des wundervollen Liedes „Blau weiße Hertha, ich hab Dich spielen gesehen“, als Hertha 5 mal hintereinander ins Finale der deutschen Meisterschaft einzog und mit zwei Meistertiteln belohnt wurde, sind lange vorbei. Und werden vielleicht auch nie wieder kommen. Das ist aber egal. Mit sportlichem Erfolg allein wird man keine Fans gewinnen, kein Stadion füllen können. Das, was es ausmacht, worauf es ankommt, ist die Fanseele. Dafür braucht es aber auch Führungsgremien, die das verstehen. Ansonsten wird aus Hertha irgendwann eine Kopie des Brauseclubs.