Opas Reisetagebuch – 4.8.2018 – Trainingslager Schladming- Tag 1: Der Berg ruft

Prolog

So viel passiert seit dem letzten Tagebuch aus Hamburg im März. Fast 5 Monate Schreibpause für Opa, aber es ist auch so wahnsinnig viel passiert. Opas Freund – der Franzmann – hat eine schlimme Diagnose bekommen, daher trommelte Opa etwas Hilfe beisammen und wir spendeten neben etwas Geld auch Trost mit einem Banner.

FOTO Kämpfen Franzmann

 

Krebs ist scheiße und solche Erlebnisse konfrontieren uns mit dem Umstand, dass unser Leben dazu bestimmt ist, dass es eines Tages endet und wir aufgefordert sind, die uns bleibende Zeit mit allen Sinnen zu genießen, Freundschaften zu pflegen und Spaß zu haben. Erfreulich ist, dass es Opas Freund nach Abschluss der Chemo mittlerweile wieder besser geht. Es heißt also weiterkämpfen!

 

Opa hat seit April einen neuen Job, der es erforderlich macht, unter der Woche den einen oder anderen Termin im Bundesgebiet wahrzunehmen. Das führt dazu, dass sich die Freizeitgestaltung auch ändert. Was man sonst locker „nach Feierabend“ erledigen kann, konzentriert sich dann aufs Wochenende. Da galt es, eine neue Balance zu finden. Nun kocht Opa ja gern und das „Speisen auf Reisen“ ist bisweilen ein frustrierendes Erlebnis. Umso mehr freut sich Opa, dass er seien kulinarischen Horizont in der Sommerpause erweitern konnte und neben diversen Barbecuespzialitäten wie Pulled Pork oder Dutch Oven Rezepte (Rindfleisch in Colasauce!) sich dem Schinkenmachen und der Zubereitung eigenen Aufschnitts aller Art zuwendete. Es ist gar nicht so arg kompliziert, für einige Sachen braucht es nur Zeit und Geduld, bis aus einem Stück rohem Fleisch ein leckerer, gereifter Rohschinken wird, dauert es viele Wochen bzw. Monate, aber es lohnt sich. Und die Zwischenzeit kann man ja auch mit schneller gehenden Sachen wie Kochschinken oder Pastrami überbrücken, mit dem man seine Schnittchen belegen kann.  

FOTO Pastramischnittchen

 

Auch Lachs selbst einsalzen und diverse Räucherfischspezialitäten stehen nun auf der Liste der Sachen, die Opa zukünftig mit zu Auswärtsfahrten als Hackepeteralternative mitnehmen wird :)  

FOTO Räucherfischspezialitäten

 

Wer viel isst, soll auch viel trinken. An Vatertag machte Opa einen spontanen Ausflug zur Hertha, dem Namensgeber unseres Vereins, der von zwei Präsidialen von Geld gekauft wurde, welches sie bei Kommanditaktionären einsamemmelten. Da kam nicht so viel zusammen wie geplant und da die Hertha immer noch ohne eigenen Anlegeplatz und nur geduldeter Gast bei der Reederei Riedel ist, die den Zugang über den Hafen in Schweineöde ermöglichen, kann man sich ein Bild vom zunehmenden Verfall machen. Wäre die Hertha im Schuppen des alten Eigners in Wusterhausen unter diesen Umständen vielleicht besser aufgehoben gewesen?  

FOTOS Hertha

 

Opa scheint, dass aus dem Projekt die Luft genauso raus ist wie die Lust. Die Köpfe hinter der vermeintlichen Rettungsaktion scheinen sich jedenfalls reichlich verschätzt zu haben, wieviel Geld man einsammeln kann, wenn man einerseits derart hohe Einstiegshürden in den Weg legt und andererseits dann eine Rechtsform wählt, die am entferntesten von einer Einladung zum Mitmachen und Mitgestalten ist. Wir werden im weiteren Verlauf sehen, was draus wird, so, wie es jetzt ist, kann es keinesfalls bleiben.  

 

Dann kam die WM in Russland und die Gündogan-Özil-Affäre, zu der wahnsinnig viel geschrieben wurde und bei der es im Grunde nur Verlierer gibt. Nun mag Özil ein feiner Fußballer sein und es war für ihn vielleicht auch nicht die einfachste Entscheidung seinerzeit, dass er sich für die deutsche Nationalelf entschieden hat (die türkischen Fans haben ihn ja dafür lange und lautstark ausgepfiffen), aber entweder ist er nicht nur nicht die hellste Kerze auf der Torte, sondern auch noch superschlecht beraten, Fotos mit einem Staatschef zu machen, der mindestens mal momentan eher umstritten ist, um das ganz vorsichtig zu formulieren. Bei Hertha hat man mit #freedeniz dagegen protestiert (wenn auch heuchlerisch, aber man hat wenigstens etwas formuliert) und dann so ein Foto. Dazu ein grauenhaftes Krisenmanagement des Verbands und natürlich das Ausweiden durch die Boulevardmedien, das alles ergab einen Cocktail, der niemandem mehr bekommt.

 

Aber dieser Konflikt zeigt auch, was für ein Riss mittlerweile durch unsere Gesellschaft geht. Vielleicht ist es aber auch gut, dass über lange Jahrzehnte Zugetünchtes mal auf den Tisch kommt und diskutiert wird. Menschen, die ein produktiver Teil unserer Gesellschaft werden wollen, die unter anderem deshalb so lebenswert ist, weil man hier sehr facettenreich glücklich werden kann, sollten hier mit offenen Armen empfangen werden. Wer das nicht will, kann oder unsere Werte nicht akzeptiert, sollte sich aber auch nicht zwingend hier wohlfühlen. Ein gesundes Selbstbewusstsein bei der Formulierung von (An-)Forderungen an Migranten sollte eher eine Selbstverständlichkeit sein denn etwas, was man in eine Ecke stellen müsste, in die solche Notwendigkeiten im eigenen Interesse nicht hingehören. Eine schwierige Gratwanderung, weil beide Seiten derzeit polarisiert sind. Ein Konflikt, den wir aber im eigenen Interesse aushalten und auch austragen müssen und der über die Zukunft unserer Gesellschaft mitentscheidet.

 

Das blamable Ausscheiden der zu satten Nationalelf hat damit meines Erachtens weniger zu tun gehabt, aber fürs sportliche war in der öffentlichen Diskussion kein Platz und man scheint beim DFB ja auch nichts aufarbeiten zu wollen. Fantechnisch ist das ja eh schon seit vielen Jahren eine Vollkatastrophe, die der DFB da veranstaltet mit Zwangsmitgliedschaft in sponsorengetriebenen Fanclubs, um an Karten zu kommen. Die Winter WM in Katar könnte dem den Bogen überspannten Fußball einen Todesstoß versetzen. Wenn die Leute kein Geld mehr für den Mist ausgeben, indem sie keine beworbenen Produkte mehr kaufen und kein TV Abo dafür abschließen, wird es vielleicht ein Umdenken geben.

 

Wer die WM weiter beobachtete, konnte die Schauspielerei der Supersuperstars wie Neymar oder Ronaldo mitverfolgen und sich (bei entsprechender Humorveranlagung) über lustige Memes, Fotocollagen oder zotige Andeutungen zu Parallelen zu früheren Zeiten und die Schadenfreude übers Ausscheiden der Deutschen amüsieren.

 

Nach der WM ergab sich dann die konkrete Planung fürs Trainingslager. Opa hatte eh Urlaub nötig, die Dienstreisen hatten ganz schön geschlaucht, dazu immer noch die Baustelle in der Laube, da bot es sich an, mit liebgewonnenen Herthanern runterzufahren und ein paar Tage Spaß in Schladming zu haben. Es ging ratz fatz, innerhalb weniger Tage stand alles, Reisegruppe, Unterkunft, Anreise, so macht Reiseplanung Spaß. Derweil klebte an Opas Mietwagen nach einer Dienstreise der Beweis, dass das Insektensterben nicht so dramatisch sein kann.  

FOTO Insekten

 

Apropos Reisen. Eine Dienstreise nach München eröffnete die Gelegenheit, einen Exilherthaner zu besuchen, der vorschlug, dass sich Opa ins Kloster Scheyern einquartiert, welches nicht nur über eine wunderschöne Klosteranlage verfügt, sondern praktischerweise nicht nur ein Hotel, sondern auch Brauerei und Biergartenausschank haben. Schweinsbraten für rund zehn Euro, dazu einige wirklich gute Biere, Opa wähnte sich im Paradies und blickte sogar großzügig darüber hinweg, dass der Abt um kurz nach fünf seine Mönche zum ersten Tagesgebet heranläuten lässt, was bei offenem Hotelfenster jäh den Schlaf unterbricht. Dennoch: Schee war's und Opa fährt da sicher nochmal hin.

FOTOS Scheyern

 

Eine andere Dienstreise endete vor dem vierten Stau des Tages vor Heilbronn, weshalb Opa sich ein Hotel auf dem Weg nahm und auf Burg Colmberg in der Nähe von Rothenburg ob der Tauber landete. Eine Burg ist immer ein Gebäude, was Geschichten erzählt, Gebäudeteile sind „organisch gewachsen“, d.h. auf einer Etage muss man schon mal Treppe rauf und Treppe runter und wer auf Edgar Wallace Filme steht, kommt dort voll auf seine Kosten, die Einrichtung ist nämlich sehr authentisch.  

FOTOS Burg Colmberg

 

Aber daheim ist es ja auch schön und vor allem hat Opa da zu tun. Nach nunmehr vierjähriger Bauzeit gab es das erste mal Licht in der Laube, wenn man auf einen Schalter gedrückt hat, ein erhebender Moment und Stromkreis für Stromkreis wird nun in Betrieb genommen.

FOTO Strom

 

Und wenn man was geschafft hat, dann darf man sich auch etwas gönnen, bei Opa ist das die Fahrt nach Schladming.

 

Anreise

Für die Fahrt nach Schladming verabredete sich Opa u.a. mit einem Exilherthaner aus Coswig, der anbot, dass wir schon Freitag nach Coswig kommen, dort grillen und nach einer Nacht auf dem Land Richtung Österreich fahren. Was auf den ersten Blick stressig klingt, machte bei genauerem Hinsehen Sinn. Da Opa sowieso regelmäßig reist, ist das mit dem Packen und den Reisevorbereitungen schnell erledigt und wir sparen uns am Samstag Morgen den Stau rund um die Baustelle in Michendorf, wo der Berliner Ring achtspurig ausgebaut wird. Opa packte als Reiseverpflegung noch sein selbstgemachtes Pastrami ein.

FOTOS Pastrami

 

Am Freitag Abend hat Opa einen Mitfahrer aus Ludwigsfelde abgeholt und ist mit ihm nach Coswig gedüst, wo wir bei brutaler Hitze liebevoll mit kaltem Bier empfangen wurden. Während die Steaks auf dem Grill brutzelten, beluden wir schon mal das Auto und zurrten die Fahrräder fest.

FOTOS Fahrräder

 

Nach einer kurzen Nacht standen wir um halb sechs auf, kochten uns noch eine Kanne Kaffee und fuhren los. Perfektes Timing, wir hatten bis auf einen einzigen (den wir zudem umfahren konnten) keinen Stau und kamen nach einer weitgehend ereignisarmen Anreise weit vor der geplanten Zeit an, bezogen unser Quartier, ein toll ausgestattetes Appartement direkt am Bach, zentral gelegen und doch ruhig und obendrein äußerst preiswert.  

 

Tag 1

Da unsere anderen Mitfahrer, die individuell anreisten, noch lange im Stau steckten, nutzten wir nach Einkaufen der wichtigsten Vorräte...  

FOTOS Vorräte

 

...und einer Brotzeit die Gelegenheit, Schladming zu Fuß zu erkunden. Schladming ist ein recht kleiner Ort mit 8.000 Einwohnern, welcher im Sommer angenehmerweise nicht überlaufen ist und dessen Hot Spots überschaubar sind, so dass man früher oder später jeden trifft. Dass der Charterflieger der Mannschaft sechs Stunden Verspätung hatte, führte dazu, dass wir in der Fußgängerzone diverse Offizielle trafen, die bereits angereist waren und die Zeit rumkriegen mussten. Präsident Gegenbauer vertrieb sich die Wartezeit im Café sitzend mit dem Zeugwart Hendryk Herzog, während zwei Cafés weiter die Journalisten von Morgenpost und Kurier einen Imbiss zu sich nahmen. Und auch der Rest der Herthafamilie lief einem über den Weg, allen voran die Reisetruppe, die von der Fanbetreuung organisiert wurde und die im Stadtbild durchaus „präsent“ ist. Ist eben wie ein Familientreffen und gehört alle paar Jahre auch zu Opas Saisonvorbereitung.

 

Apropos Stadtbild: Hertha prägt durch die vielen Jahre Trainingslager offensichtlich Schladming, mittlerweile gibt es auch in Schladming ein Olympiastadion ;) ...  

FOTO Olympiastadion

 

...und das lokale Sanitätshaus drückt seine Verbundenheit zu den Berliner Hertha Fröschen im Schaufenster aus:

FOTO Frösche

 

Am Abend saßen wir im zur Wohnung gehörenden Garten, lauschten dem Rauschen der Bergbachs, der vor der Unterkunft ins Tal stürzt, freuten uns des Lebens und warteten auf unsere Mitfahrer, die etwa zu der Uhrzeit eintrafen, als das am Nachmittag beschaffte Bier kalt wurde. Perfektes Timing und so ließen wir uns das Schladminger Bier schmecken...  

FOTO Schladminger Bier

 

...planten schon mal die Aktivitäten der nächsten Tage, lachten und alberten, bis es plötzlich tief in der Nacht war, Opa fiel kurz vor zwei ins Bett. Glücklich, endlich mal wieder vor Ort zu sein.

 

Als Rausschmeißer gibt’s noch einen Cliffhanger: Morgen berichtet Opa von einem spannungsgeladenen Moment, also wieder einschalten und Opa auf den üblichen Kanälen folgen, nicht nur „Laberpaule“ kann Twitter, Opa ooch.

 

Macht's jut Nachbarn!