Opas Reisetagebuch #62 – 29.4.2017 – Bremen – Tomorrow comes today!

Prolog

 

Nach den Strapazen der letzten Auswärtsfahrt brauchte Opa erstmal wieder eine Erdung. Ostermontag gab's Fußball in der Berlinliga, Neuköllner Lokalderby Rudow gegen Tasmania (ja, genau die mit den ewigen Negativrekorden in Liga 1). Sonnenschein, Bier aus echten Gläsern und der Fußball war nicht wirklich viel schlechter als das, was Hertha ein paar Tage zuvor geboten hatte. Um Spieler zu sehen, die schlecht umschalten und Bälle weit übers Tor schießen, muss man nicht nach Mainz fahren. Opa war immer noch angefressen.  

FOTO Rudow gegen TAS

 

Warum allerdings Fotokulissen in Dortmund Trikots...  

FOTO Kulisse

 

...dort stehen, erschloss sich Opa auch nicht. Den auch als leicht-überdreht-lustiger DJ und Capo agierenden Stadionsprecher wollte Opa nicht anhauen, weil er befürchtete, die Antwort übers Mikro entgegengeplärrt zu bekommen. Falls jemand einen Rummelansager sucht, könnte der in der Stubenrauchstraße fündig werden. Die Eventisierung hält offensichtlich auch in den Amateurligen ein und kennzeichnet sich durch solchen Unsinn wie überlaute Pausenmusik, die eine Unterhaltung beinahe unmöglich macht. Muss das sein?

 

Wenige Tage später hatte Opa dann aber wieder Grund zur Freude. Die Bauern flogen im Viertelfinale aus der Champions League und fühlten sich ob den Entscheidungen des Schiris „beschissen“ (O-Ton Rolex Rumme). Wer sich an die Ereignisse in Berlin wenige Wochen zuvor erinnerte, dem meißelte der Fußballgott das feiste Grinsen der puren, reinen Schadenfreude ins Gesicht. Wenn es nach Opa geht, sollen die Bazis an der Bitterkeit ihrer eigenen Medizin kosten bis sie den Spaß am Fußball verloren haben.

 

Währenddessen wurde Opa vermutlich wegen des schlechten Karmas von der Hertha-Auswärtsrealität eingeholt. Ein Bekannter schickte das Spielankündigungsplakat des Bremer Gastgebers.  

FOTO Spielankündigungsplakat

 

Bei den derzeitigen Formkurven und obendrein noch dem Verletzungspech von Hertha würde es wohl sehr hart werden. Zumindest für uns Gästefans. Das Heimspiel wenige Tage später gegen die Abgasbetrügertruppe war zwar eine Demonstration von Herthas Heimstärke, auch wenn Spötter wohl eher von Dusel sprechen würden. Egal, kontrollierte Defensive ist oft wenig ansehnlich, aber bringt am Ende der Saison oft ein ansehnlicheres Ergebnis als zwischenzeitliche Offensivstrohfeuer, die zwar hübsch brennen, aber wenig wärmen. Nicht ganz unwahrscheinlich, dass uns das oft unansehnliche Gestolper wieder nach Europa führt, Opa spart schon mal für Reisen zu Qualispielen gegen attraktive Gegner wie Patschki Bratislava, Barfuß Bethlehem oder Traktorist Baku.

 

Während Opa unter der Woche in den einschlägigen Hertha-Foren und Blogs diskutierte, kursierte in den sozialen Medien von der Auswärtsfahrt der Köpenicker nach Cannstadt ein Foto einer jungen Dame, die – wie soll man das beschreiben? - sagen wir mal, in der einen Hand eine Büchse Bier hatte und mit der anderen so eine Art Beitrag zur Nachwuchsplanung leistete. Weia, ist Opa froh, dass es früher keine Smartphones gab :D Die junge Dame dürfte auf jeden Fall genug Einladungen zu Auswärtsfahrten anderer Szenen erhalten haben. Und in Köpenick ist man bestimmt stolz wie Bolle, solche Prominenz von einem Fan in den eigenen Reihen zu wissen. „Eisern!“ :D

 

War sonst noch was? Ach ja, Opas Aufkleber gibt’s ab sofort in Opas Kiezkneipen zu kaufen. Den Anfang macht in Neukölln der „Herthaner“ in der Weserstraße 210 (Ecke Friedelstraße, Nähe U Hermannplatz) und in Wedding die Kneipe „Zum Kugelblitz“, Liebenwalder Str. 46, 13347 Berlin (Nähe U Naumannplatz). Beide Wirte offerieren auf Nachfrage am Tresen eine Auswahl beliebter Aufkleber aus dem Hause Opa. Versandkostenfrei, lokal (gnihihi, schön doppeldeutig) und mit Liebe für Eure Kieze. Wer meint, dass das in seiner Kneipe (oder Vereinsheim o.ä.) noch fehlt, meldet sich unter info[a]opas-reisetagebuch.de unter dem Stichwort „Kneipenbox“.

 

Reisevorbereitungen

 

Nach Bremen war Opa ja schon ein paar mal gefahren, da war es an der Zeit, mal etwas Außergewöhnlicheres zu planen. Von Berlin aus reisen kann ja jeder, aber Opa wollte mal miterleben, wie Exilherthaner sich so auf den Weg zu einem Auswärtsspiel machen und so war beim Osterfeuer vor der Mainz Reise, wo Opa auf dem Hinweg ein neues Passbild vom Land Brandenburg bekam...

FOTO Blitzer

 

...die Idee geboren, dass Opa von Coswig (Anhalt) aus nach Bremen tingelt. Und günstig war es obendrein, denn die Tour konnte man als Assitour mit dem Schönes Wochenende Ticket (SWT) fahren.

Das hatte obendrein noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Wer schon mal versucht hat, mit Regio zu den nachgefragten Auswärtsspielen wie Hannover, Hamburg, Wolfsburg oder Bremen zu fahren, wird es auch bereits erlebt haben, dass in den Berliner Bahnhöfen gleich mal Lord Helmchen aussteigt und mitteilt, dass Fußballfans in dem Zug nicht mitfahren, was mit reichlich Gerenne und Improvisation hinsichtlich alternativer Anreiserouten verbunden ist.

 

Zu den Reisevorbereitungen gehörte auch, dass man am Vorabend der Abfahrt plante, auf dem Grill einen Boulettenberg herzustellen. Was Opa nicht auf dem Schirm hatte, dass er die gefühlt 5 kg Hackfleisch zubereiten sollte. Oh wei, also war Improvisation angesagt. Kochen in fremden Küchen ist ja immer so eine Sache und schwupps fiel Opa auch ein klein wenig zu viel Salz in den Boulettenteig, der vom örtlichen Grillmeister zusammen mit einer gefühlten halben Tonne Bratwurst und Steaks aus einem Dutzend Schweinenacken zu einem Fleischberg verarbeitet wurde, der Chancen gehabt hätte, ins Guinessbuch der Rekorde einzuziehen. Verhungern würden wir also sicher nicht.

 

Die Gefahr zu verdursten bestand da angesichts des Salzgehalts von Opas leicht verunglückten Bouletten schon eher. Gut, dass Opas „Reiseleiter“ in Form einer Kiste Rothaus vorgesorgt hatte, die (ohne Kasten) praktischerweise komplett in dessen Arbeitsrucksack als eine Art Zerlegevorrat passte, der mit jedem Schluck leichter werden sollte. Um nicht vom Zufall eines leeren Getränkevorrats hart getroffen zu werden, steckte Opa noch eine Flasche Sicherheitsweinbrand ein, bevor sich alle recht zeitig Richtung Bett verabschiedeten, denn unser Zeitplan sah vor, dass es zu unchristlicher Zeit losgehen sollte.

 

Anreise

 

Während der überwiegende Rest Deutschlands wohl noch schlief, klingelte unbarmherzig Opas Wecker. Ans Aufstehen um halb fünf wird sich Opa nie gewöhnen können. Mit schweren, rotgeränderten Augen (vom letzten Bierfässchen von der Regensburgfahrt aus dem Kloster Weltenburg) schlurfte Opa ins Bad, kratzte sich ein paar Stoppeln aus dem Gesicht und putzte sich die Zähne, ein Schluck Wasser im Gesicht sorgte nicht den gewünschten Muntereffekt, aber wenigstens ging man einigermaßen frisiert auf Reisen. Ein großer Schluck Café, noch ein paar Grillreste in Alufolie gewickelt und schon machte sich unser Tross auf den Weg.

 

Unsere Reise begann in Roßlau (Elbe), die sich selbst als „Schifferstadt“ bezeichnet.  

FOTO Schifferstadt

 

Während Opa überlegte, das mit dem öffentlichen Schiffen in der Stadt mal zu vollziehen, fielen ihm auf der gegenüberliegenden Seite die Hinterlassenschaften zweier Sprayer auf, die sich hinsichtlich ihrer Vereinspräferenzen nicht so recht einigen können.  

FOTO HFC, ne SGD, quatsch HFC

 

Unser Reiseleiter hatte uns eine Verbindung rausgesucht, die ein Umsteigen in Magdeburg Hauptbahnhof vermied. In einem Vorort von Magdeburg stiegen wir im gefühlten Nirgendwo aus und bewunderten die Begrüßungsstreetart der Magdeburger:

FOTO Horrorfans boxen Gästefans

 

Assitouren, wie Fahrten mit dem Regionalticket in „Fachkreisen“ von Fußballfans auch heißen, haben ihren eigenen Charme. Man entdeckt die Schönheit der Langsamkeit der deutschen Bahn und deren liebevollen Umgang mit Fahrgästen des Regionalverkehrs. Und hat die Chance, Kleinode zu entdecken, die einem im Hochtempovorbeirauschen in einem ICE verborgen bleiben. Zum Beispiel ein Café für Fußballflitzer.

FOTO Flitzercafé

 

Irgendwann kommt man mit vielfachem Umsteigen auch am Ziel an und das alles für einen unschlagbaren Preis. Wenn man wie Opas Reisegruppe zu fünft unterwegs ist, zahlt jeder nur 11,20 € für einen ganzen Tag Bahn fahren, hin und zurück. Man kann also auch mit wenig Geld auswärts fahren, wenn man die damit verbundenen Unannahmlichkeiten in Kauf zu nehmen bereit ist.

 

Das Bier im Rucksack reichte übrigens exakt bis Bremen Hauptbahnhof. Drei erwachsene Männer (in Begleitung zweier junger Damen, die allerdings eher Getränken wie Mangosekt oder Energymixgetränken mit dem Aroma eines Autoduftbaums zugetan waren) nahmen exakt mit Einfahrt in den Bahnhof Bremen jeder seinen letzte Schluck aus der letzten Pulle. Perfekte Punktlandung also.

 

Schnell im Schließfach das Gepäck verstaut und dann wollten wir uns schnellstmöglich absetzen, denn die Bremer Behelmten hatten mal wieder das ganz große Besteck rausgelegt. Seitdem sich die Bremer Polizei mittels eines Gebührenbescheids die Einsatzkosten vom Veranstalter des Fußballspiels zurückzuholen gedenkt, werden weder Kosten, noch Mühe noch Überstunden von Behelmten gescheut, die nicht mal zu zweit aussehen wie 18 und einen stattlichen Talibanbart (oder eine strenge Pferdefrisur) tragen. Dazu jede Menge Absperrgitter, Lichtmasten, Hundestaffeln, Wasserwerfer, Räumpanzer, Hubschrauber... Alles, was ein Innensenator für den Bürgerkrieg so braucht. Für wohlgemerkt 3000 Gästefans, wo außer ein paar unstrukturierten Rummel-Rangeleien in den letzten Jahren keine nennenswerten Vorfälle zu verzeichnen waren.

 

Während ein Herthaner sich bei Twitter mit einem Sportberichterstatter darüber auseinandersetzte, setzte sich Opa von dem ganzen Geschehen ab, zumal immer mehr imperiale Sturmtruppen in und um den Bahnhof Stellung bezogen.  

FOTO Lord Helmchen

 

Ein paar Schritte Richtung Altstadt, ein Blick auf den Tramplan und ab ging es Richtung Weserstadion. Vorbei an selbstironischer Werbung...

FOTO Was ist grün und stinkt nach Fisch?

 

...und Sehenswürdigkeiten wie dem Reichskolonialdenkmal in Form eines Elefanten...

FOTO Reichskolonialdenkmal

 

...(welches man 1989 zum Antikolonialdenkmal umgewidmet hat) erreichten wir innerhalb weniger Minuten – so groß ist Bremen schließlich nicht (rund 550.000 entspricht etwa zwei Berliner Bezirken) – das Ufer der Weser in der Nähe des Stadions. Die reichlich vorhandenen Kneipen ließen wir links liegen, wir hatten schließlich am Bahnhof Nachschub organisiert.

 

Auf der Suche nach einer Toilette für die mitreisenden Damen, die selbige in einem Café am Weserufer fanden, hatten wir Männer Gelegenheit, das Treiben zu beobachten, was im Wesentlichen daraus bestand, dass die vom Bahnhof eingesetzten Shuttlebusse jeweils rund hundert Herthaner ausspuckten, die dann zum Weserufer herunterstolperten, um sich anschließend am Ufer zu erleichtern.  

PANORAMAFOTO Weserufer

 

Ein paar mitreisende Herthaner machten Picknick...

...während andere auf ihrem Suff nicht klarkamen und auf der Wiese nach einem beinahe choreografiert wirkenden Darniederliegen ausnüchterten. Wer kennt das nicht, wenn einem die Beine wegsacken. Bei kaum einer anderen Fahrt kann man so viele Leichen bewundern wie bei den „nahen“ Fahrten.

 

Währenddessen wurde Opa von einem seiner Mitreisenden darauf aufmerksam gemacht, dass die „Szene“ anrollte. Die hatten mitten in der Nacht losgemacht und in einem Weserhafen einen Dampfer gechartert, mit dem sie sich zum Anleger Weserstadion bringen ließen, was wohl die Staatsmacht einigermaßen nervös machte, die zwar an Land Kräfte zusammengezogen hatte, aber nicht damit gerechnet hatte, dass die sich friedlich auf einen Dampfer setzen. Und da man wie oben bereits beschrieben, in Bremen weder Kosten noch Mühe scheut, wurde der Dampfer engmaschig von der MS Lasagna der Wasserschutzpolizei begleitet. Was ein sinnfreier Aufwand.

FOTO Berlin schwimmt

 

Vorm Stadion erschnorrte sich Opa noch eine Sitzplatzkarte. Stolze 40 € standen auf dem Ticket, Wahnsinn, was mittlerweile für ein ziemlich wenig sehenswertes Fußballspiel an Eintrittsgeld aufgerufen wird.

 

Trotzdem die Behelmten das ganz große Besteck rausgelegt hatten, gab es keine Fantrennung o.ä. - wer sich als Herthaner mit seinen Bremer Kumpels treffen wollte, konnte das gefahrlos tun. Und noch gefahrloser war es, Opa darum zu bitten, das fotografisch festzuhalten.  

FOTO Mischgruppe

 

Im Stadion

 

Es war kurzfristig angekündigt worden, dass es vereinzelte Ganzkörperkontrollen geben kann. In dem üblichen „Das darf mit...“ hieß es:

 

Am Einlass des Stadions finden die üblichen Kontrollmaßnahmen statt. Darüber hinaus finden selektiv Intensivkontrollen statt (auf jeweiligen Wunsch der kontrollierten Person im einsehbaren Container direkt am Einlass oder im Außenbereich).

 

Quelle

 

2012 haben die Fans sehr leise, aber sehr wirkungsvoll gegen die damals beschlossenen Veränderungen bei den Sicherheitsvorkehrungen demonstriert, um genau so etwas eigentlich nicht zum Alltag werden zu lassen. Vor wenigen Wochen waren unsere Karlsruher Freunde in Sandhausen betroffen, nun wir in Bremen. Das warum bleibt dabei genauso im Dunklen wie die Frage der Rechtmäßigkeit, die nach Auffassund der AG Fananwälte nicht gegeben sein dürfte. Und eigentlich hat Opa bei einer solchen Entwicklung auch schon gar keinen Bock mehr auf Stadionerlebnis. Nicht für 40 €, nicht für 15 € und nicht mal für geschenkt. Wenn das so weitergeht, fährt Opa nur noch bis zum Stadion und sucht sich dann eine nette Kneipe und guckt da.

 

Absurderweise hatte der Ordner, der Opa kontrollierte, nach oberflächlichem Abtasten der Arme schon genug gesehen. Eine Farce angesichts der Kulisse, die man im Vorfeld aufgebaut hatte. Drinnen dann die Treppen hochgekraxelt (den Gästeblock hat man in den Oberring verdammt), den schicken wie sinnlosen Sichtbeton (mit Überhängen?)...

FOTO Tribünenaufhängung

 

...bewundert und ab ging es in den Sitzplatzblock, den man hinter der Anzeigetafel platziert hat. Sonderlich gastfreundlich ist man in Bremen traditionell nicht, der Stehplatzblock war bis vor zwei Jahren eine Art Gitterkäfig, nach massiven Protesten baute man das dann um, um wenigstens die schlimmsten Auswirkungen zurückzubauen. Das entkräftet übrigens auch dieses irrsinnige Argument, moderne Fußballstadien seien u.a. deshalb so beliebt und erfolgreich, weil man besser sähe. Aus Perspektive der Gästefans kann das jedenfalls nicht bestätigt werden.

 

Opa bewaffnete sich mit einem Pils (Barzahlung im Gästebereich erfreulicherweise möglich) und begrüßte auf dem Weg in den Block ein paar Bekannte, zu denen auch eine Herthanerin gehört, die mit ihrer Hertha-Badeente umher reist. Im Block dann ein kurzes Pläuschchen mit der Fanbetreuung und schon hieß es: Anpfiff!

 

Das Spiel

 

Was sollte man angesichts der bestechenden Rückrundenperformance der Bremer, der aktuellen Auswärtsform der Herthaner und vor allem angesichts der verletzungsbedingten Ausfälle auf Berliner Seite großartig erwarten? Wir Herthaner wohnten der Abteilung „Jugend forscht“ bei und durften den Einsatz von Nachwuchsspielern bewundern, die das gar nicht so schlecht machten. Im Gegensatz zu manchem Platzhirschen. Schon nach weniger als zehn Minuten klingelte es im Berliner Kasten, ein Konter nach nicht erfolgreichem Freistoß von Darida in Kombination mit nicht genügender Gedankenschnelligkeit, wieder gegen den Ball zu arbeiten und zack, zappelte der Ball im Netz. Gnarz, aber noch kein Grund aufzustecken.

 

Der kam dann wenige Minuten später, als ausgerechnet der eine bestechende Saison spielende Jarstein sich einen Bock leistete, der ihn wohl noch länger verfolgen dürfte. Unbedrängt beim herthatypischen Hintenrumgeschiebe legt er den Ball direkt auf den Gegenspieler auf, der dann eiskalt an Jarstein vorbeischiebt. Ballbesitz-Sicherheitsfußball, wie er nicht sein soll. Der Rest des Spiels ist schnell erzählt. Hertha mit zu wenig Chancen und zu ungefährlich, Bremen verwaltete den Vorsprung clever bis ins Ziel. Und Opa verlegte sich an den Bierstand, während andere die Zeit anderweitig sinnvoll nutzten.  

FOTO Schlaf des Gerechten

 

Herthas Offensive bleibt eine Dauerbaustelle, aber das gefühlt seit dem Abgang von Pantelic und Voronin vor vielen Jahren. Vereinzelte Highlights in der Zwischenzeit wie der mit Holzfüßen umgebene Rafael, wurden überdeckt von einer Lawine des Mittelmaßes und der Vollflops wie Wichniarek, Rob Friend, Theofanis Gekas im Sturmzentrum und noch ungefährlicheren Außenstürmern wie Rukavytsya, Ben Sahar oder dem brandgefährlich mit Ball ins Aus rennenden Ben „Hatari“ (wie er in Frankfurt bei seiner Vorstellungs-PK vom Pressesprecher genannt wurde). Und diese Saison haben wir mit Esswein einen, der noch schneller mit Ball ins Aus rennen kann und den mit der Gefahr einer Kinderbastelschere mit Einklemmschutz versehenen Genki Haraguchi.

 

Die beiden, in Kombination mit einem am Spielaufbau völlig unbeteiligten DM, ergeben dann eine Melange, wo man nur durch Zufall und unerhört brutale Effizienz zu Toren kommt. Quasi eine Art „positive sportliche Delle“, um mal im Hertha-Terminus zu bleiben. Oder um es ein klein wenig polemischer auszudrücken: Kein Wunder, dass Hertha diese Art Fußball in die Provinz nach Ludwigsfelde verbannen will.

 

Rückreise

 

Wie von Geisterhand fand sich Opas Reisegruppe noch im Stadion, so konnten wir wie auf der Hinreise gemeinsam „stiften“ gehen und mischten uns in den Tross der Bremer, die zur Straßenbahn Richtung Hauptbahnhof strömten. Zack, gleich in die erste Tram schafften wir es, man muss auch mal Glück haben. Apropos Glück, am Bahnhof versuchte Opa nach Befreiung seines Reisegepäcks aus dem Schließfach sein Glück, ein paar Eiswürfel zu erhaschen. Puh, so viele Absagen hatte sich Opa schon länger nicht mehr geholt und als er schon beinahe aufgeben wollte, erhielt Opa von einem Fremden nicht nur einen Tipp, sondern auch sein erhofftes Eis. Mit einem Beutel voller Eis ging es Richtung Bahnsteig und dann hieß es auch schon Abfahrt.

 

Diesmal ging unsere Reise über Uelzen und ein paar andere „Knotenpunkte des Regionalverkehrs“, wie die Käffer im Bahnjargon heißen und wo niemand, auch Opa nicht, tot überm Gartenzaun hängen will. Während die anderen Party machten, machte Opa ein klein wenig Heia, das frühe Aufstehen forderte in Kombination mit stimmungsaufhellenden Getränken seinen Tribut. Als Opa die Augen öffnete, war er allerdings sofort auf 180, denn irgendein Fremder saß vor ihm und trank aus dem Becher, in den Opa die Eiswürfel umgelagert hatte. Und nicht nur, dass der ungefragt Opas Becher benutzte und noch schlimmer Opas Eis veruntreute, nein, dieses musste auch noch zur Kühlung plörrigen Roséweins herhalten. Opa war stinkesauer und wenn der Kollege nicht freiwillig Leine gezogen hätte, hätte es wohl „Verzögerungen im Betriebsablauf“ in Form eines brennenden Fahrgestells gegeben.

 

Irgendwo im nirgendwo stiegen wir nochmal in einem Bahnhof um, in dem wohl schon zu Kaisers Zeiten umgestiegen wurde. Aber das Motto, was dort ein Sprayer hinterlassen hatte, sollte zum Motto der Fahrt werden (auch wenn eine Mitfahrerin „Reisegruppe Ständigsteif“ vorgeschlagen hatte):  

FOTO Tomorrow comes today

 

Der Spruch regte Opa nicht nur angesichts des bevorstehenden 1. Mais zum Nachdenken an angesichts der Massen an Behelmten, die er an dem Tag gesehen hatte. Sondern könnte es sein, dass die neue Rekordserie an Auswärtsniederlagen am Stück eine Art Vorboten darstellt, wie es nächste Saison auch laufen könnte? Tomorrow comes today. Vielleicht sollten wir den Tabellenstand nochmal genießen, den Duft der Europapokalplätze im Gedächtnis einprägen, wer weiß, wann wir das nächste mal so weit oben sind?

 

Und noch etwas, was man positiv sehen sollte: Wir können diese Saison nur noch ein einziges mal auswärts verlieren. Opa wird dabei sein.