Der Versuch einer (vorläufigen) Saisonvorschau - Teil 2 (Die Fans)

In Teil 1 ging es am Montag um den Spocht - ein Thema, weshalb wohl kaum jemand mal Herthafan wurde. Heute geht´s um die Fans.

 

Und fantechnisch?

Ganz unabhängig vom Saisonverlauf werden sich die üblichen Verdächtigen auf den Weg machen, um Hertha auswärts zu unterstützen. Opa wird versuchen, so oft wie möglich dabei zu sein, auch wenn er zugeben muss, dass es mittlerweile sehr schwer fällt, zu solchen Zielen wie Golfsburg, Hoppelheim oder Vizekusen aufzubrechen. Das ist mehr Pflicht als Kür und bisweilen erlaubt sich Opa ja auch, die Stadien nicht zu betreten und stattdessen ein paar schöne Stunden drumherum zu erleben, während sich andere über Hertha freuen. Oder aufregen. Meist letzteres :D

 

Etwas Neues erwartet uns Fans in Leipzig. Eine wunderschöne, geschichtsträchtige Stadt, auch fußballtechnisch, die wie keine andere aufgrund der Rahmenbedingungen geschaffen war für das Ekelprojekt RB. Wir Herthaner diskutieren am Länderspielwochenendsonntag, 4.9. im Fanprojekt in der Cantian-/Topsstraße, wie unsere Fanszene gedenkt, mit dem Spiel umzugehen. Boykott? Alles ganz normal? Nicht weiter beachten?

Die Herthafanszene ist wunderbar vielfältig und genauso vielfältig sind wohl die Meinungen zu RB. Ein "ganz normales" Verhältnis sollte aber jedem, der sich nur ein wenig mit den Gegebenheiten beschäftigt hat, unmöglich sein. An dieser Körperschaft, die alle Spieregeln des Sports mit den Füßen tritt, zeigt sich obendrein die Fäulnis, die sich in den Verbänden breitgemacht hat, denn sowohl der sächsische Fußballverband als auch der DFB als auch die DFL sind der Perspektive des ewig fließenden Brauesegeldes erlegen.  

 

Um die bisweilen polarisierende Diskussion etwas zu versachlichen, ein kleiner Faktencheck:

 

RB ist eine von Mateschitz' Vertrauten dominierte Körperschaft, die die Rechtsform des eingetragenen Vereins nur gewählt hat, um Auflagen hinsichtlich des financial fairplay umgehen zu können und sich ein paar Jahre zeitlichen Vorsprung erkauft hat, indem man die Lizenz von Markranstädt (Oberligist) übernommen hat. So musste man nicht in der Kreisklasse anfangen, sondern hat gleich mehrere Ligen höher angefangen als eigentlich zulässig. 

 

Anfangs konnte faktisch niemand Mitglied in diesem Verein werden, für die DFL Lizensierung lockerte man das, die Hürden sind heute noch extrem hoch und die Mitglieder haben kein Mitbestimmungsrecht (man kann stimmrechtloses Fördermitglied werden, aber kein Vollmitglied). Ein am Spielbetrieb teilnehmender e.V. ist nicht an die Regeln von 50+1 gebunden und auch sonstige Auflagen zu Investitionsgrenzen sind obsolet. 

 

Der Sportdirektor von RB Leipzig ist gleichzeitig auch Sportdirektor der RB Filiale aus Salzburg. Er kann zwischen den Vereinen nicht nur Spieler (und damit Vermögenswerte) nach eigenem Gusto hin- und herschieben, sondern auch Gewinne, Verluste und andere steueroptimierende Maßnahmen ergreifen. Darüber hinaus können somit Klauseln in Transferverträgen umgangen werden. Dies ist stark wettbewerbsverzerrend.     

 

Neid oder kein Neid?

Jeder Herthaner gönnt jedem Leipziger von ganzem Herzen einen oberklassig spielenden Fußballverein. Der Leipziger Fußball war nach der Wende erst leergekauft und später aufgrund eigenen Mißmanagements und einer gewissen "Halsstarrigkeit" der Fans in Regionen degradiert worden. Mit dem Ergebnis, welches diese Stadt nicht verdient hat. Chemie und Lok als lokale Platzhirsche vermochten nie an alte Erfolge anzuknüpfen. Der von RB Befürwortern immer wieder hervorgebrachte angebliche Vorwurf des Neids läuft komplett ins Leere. Jeder Fußballfan begrüßt es, dass die elftgrößte Stadt Deutschlands (Leipzig hat über 500.000 Einwohner) der Verzwergung des Bundesligafußballs entgegentritt. 

 

Aber eben nicht so. Der Erfolg von RB hat mit sportlich Errungenem und Verteidigtem zu wenig zu tun. Es ist das selbe, was der Bayer Konzern in den 70er-90er Jahren in Uerdingen machte, die erst in die Bundesliga gepusht wurden, bis die Betriebssportgruppe fallen gelassen wurde, die als ehemaliger Bundesligist heute als KFC Uerdingen in den Niederungen der Oberliga Niederrhein sein Dasein tristet. das ist der Unterschied zwischen richtigen Vereinen und synthetischen Gebilden. Für ein Marketingkonstrukt ist in dem Moment Ende, wo der Gesellschafter die Zuwendungen einstellt. Es bleibt eine leere Körperschaft, die wie ein Soufflé zusammenfällt, wenn jemand den Ofen öffnet. Wenn Mateschitz eines Tages nicht mehr möchte, wird RB als Körperschaft vielleicht weiterexistieren, aber keine Bedeutung haben. Leipzig wird seinen dritten unterklassigen Verein haben, aber keinen Bundesligafußball. Daher ist dieser Weg falsch. 

Wie nun damit umgehen?

Es wäre schön, wenn sich die Herthaner auf ein effektvolles Vorgehen einigen könnten. Da davon auszugehen ist, dass Choreos oder Spruchbänder in Leipzig nicht genehmigt werden, wird man um einen Teilboykott nicht drumherum kommen. Warum nicht die ersten 10 Minuten draußen bleiben, danach aber Vollgas geben und das Plastepublikum in Grund und Boden singen? Die Mannschaft wird das verstehen. Der Ausflug nach Leipzig könnte obendrein mit einer Demo beginnen, um klarzumachen, dass das eben kein normaler Verein ist, zu dem man auch kein normales Verhältnis entwickeln kann. Die Demo hat obendrein den Vorteil, dass jeder fahren kann, auch die, die keine Karte für das vermutlich nachgefragte Spiel bekommen werden, denn je mehr Menschen "Nein zu RB!" sagen, umso effektvoller. 

 

Und noch etwas: Hört bitte auf, im Zusammenhang mit dem Brauseclub den Namen der Brause zu erwähnen! Genau das ist es, was die Marketingstrategie aufgehen lässt, wenn statt der Abkürzung RB oder dem Begriff Rasenballsport die Brause genannt wird. RB ist RB oder Rasenballsport, aber eben keine Brause. 

 

Was wird Opa tun? 

Zunächst wird Opa an der Diskussion teilnehmen. Je nachdem, was als Ergebnis herauskommt, wird er sich entscheiden. Sofern man sich nicht auf einen Teilboykott oder andere effektvolle Maßnahmen einigen kann, kann es sein, dass Opa aus Protest draußen bleibt. Das ist am Ende eine Frage der Glaubwürdigkeit. Man kann nicht jahrelang gegen diese Körperschaft sein und dann im Zweifel einknicken und so tun, als sei das nur ein weiterer reicher Wanderzirkus wie jeder andere auch.   

 

Wer das anders sieht, wird so oder so ins Stadion gehen und so tun, als wäre das das normalste der Welt, das wird sich nicht verhindern lassen. Umso wichtiger scheint es, ein klares, wahrnehmbares und deutliches Zeichen des Protests zu setzen. Das Beispiel RB darf nicht Schule machen - weder in Leipzig noch anderswo!  

 

Und sonst so? 

 

Freuen wir uns auf spannende Abenteuer auf Auswärtsfahrten, sudelige Züge, hackepetergeschwängerte Luft, Partymusik, kreative Streetart, positiven Anarchismus, eklige Leute, einfach ganz normale Auswärtserlebnisse. Opa hat sich vorgenommen, hinsichtlich der Wahl seiner Verkehrsmittel alles mal auszuprobieren, mal wieder bei einem Fanbus mitzufahren, aber auch zwischen Auto oder Zug (auch eine Regiotour) abzuwechseln, eine Fahrradtour steht genauso seit Jahren auf der ToDo Liste wie Anhalter oder Mitfahrt auf einem Binnenschiff.  Vermutlich wird für alles die Saison wieder zu kurz sein.