Opas Reisetagebuch - 15.4.2017 - Mainz - Schönheit der Tristesse

Prolog

Auswärtsfahren wegen Hertha ist derzeit ein Programm für Masochisten. 7 Auswärtsniederlagen in Folge, das hatte gefühlt zuletzt Tasmania Berlin in der Bundesliga geschafft, aber unsere alte Dame schafft es da noch Limbo drunter durch zu machen. Und wir tun uns den Käse an. Man kann, nein, man muss schon dankbar sein, dass es wenigstens Trinkerfachgeschäfte gibt wie das Hopfen & Malz in der Weddinger Triftstraße gibt, ein wahres Paradies für Bierkenner mit über 600 Sorten Bier, fachkundigem Personal und der Möglichkeit zur Sofortverkostung. Viele empfehlenswerte fränkische Spezialitäten genauso wie IPAs oder Manufakturbiere. Opa fühlte sich ein wenig wie im Paradies.

FOTO Panorama Bier

 

Geld allein macht nicht glücklich, man muss auch Bier davon kaufen ;) Manchmal beginnen gute Ideen mit „Halt mal mein Bier“, so dürfte es auch bei den Machern der Veranstaltung des Bremer Nationaltheaters am 22. März gewesen sein, die in einer Bar in Neukölln eine Lesung zum Besten gaben, die sich um nichts anderes drehte als einen Text, den wir fast alle als bekannt bestätigt haben: Die facebook AGB, inclusive der Datenschutzerklärung und aller Rechtschreibfehler. Durchaus empfehlenswerte Abendunterhaltung. 

FOTO Eintrittskarte

 

Solche Abende machen Opa immer wieder bewusst, dass es noch ein Leben außerhalb von Hertha zu geben scheint. Wichtig zu wissen, falls sich die alte Dame mit ihren Stadionneubauplänen in Ludwigsfelde ähnlich überhebt wie Aachen, FSV Frankfurt, Paderborn, Bielefeld oder Essen, denn der Sichtbetonklotz dürfte bei Auftreten einer erneuten sportlichen „Delle“ unseren geliebten Verein mit in den Abgrund reißen wie einen Schwimmer mit Füßen in Beton. Dass Hertha ernsthaft einen Umzug nach Brandenburg plant, ist emotional schon schwer zu verkraften, auch wenn Hertha schon einmal außerhalb von Berlin spielte. Um 1910 hatte man sich mit dem damaligen Platzvermieter verstritten und so zog der Berliner Fußballclub Hertha 1892 (wie Hertha seinerzeit hieß) für 2 Jahre um nach Reinickendorf, welches erst viele Jahre später, nämlich 1921 zu Berlin gehörte.

 

Rein rational mag vieles für den Umzug auf die grüne Wiese sprechen. Dort ist der benötigte Platz vorhanden. Und es gibt eine Politik, die eine scheinbare Affinität zur Subventionierung offensichtlich fragwürdiger Projekte hat, die Liste ist mit prominenten Beispielen gespickt, um nur mal drei zu nennen: Cargolifter, Lausitzring, Eisenbahnwerk Eberswalde. Alle drei haben gemeinsam, dass sie mit einer Insolvenz endeten. Ob aber das Land Brandenburg den Spielbetrieb aufrecht erhält, wenn der Berliner Sport-Club mal diesen Weg gehen muss? Der Senat wird es dann vermutlich nicht tun. Und das Land Brandenburg? Bei solchen Gedanken bekommt die vermeintlich rational-vernünftige Option einen sehr faden Beigeschmack.

 

Andererseits dürfte es so oder so schwer werden, in Berlin zu bleiben. Das Oly ist ein schrulliger Kasten, den wir nicht in dem Maße nutzen können, der einem Ankermieter zustünde. Wer mal miterlebt hat, was Hertha für einen Spieltag auf- und wieder abbauen muss, wer bedenkt, dass Hertha den Stadionnamen nicht vermarkten kann, wer sich vor Augen führt, dass der Senat beim Catering massiv die Hand aufhält und all das in der Miete nicht ausreichend eingepreist ist, der wird nachvollziehen können, dass es für einen Erstligisten Hertha durchaus Sinn machen kann, sich über einen Neubau Gedanken zu machen. Wie schwer die Finanzierungsbelastung zu Zweitligazeiten wiegt, wenn obendrein die Einnahmen aus der Fernsehvermarktung und den VIPs fehlen und man gleichzeitig mit aller Kraft Richtung Wiederaufstieg investieren muss, werden die Finanzexperten vorrechnen müssen, wenn sie das Vertrauen der Mitglieder gewinnen wollen.

 

Und wer die Herzen der Berlinerinnen und Berliner gewinnen will, zu einem Fußballspiel nach Brandenburg zu fahren, über eine verstopfte Bundesstraße oder eine schon im Alltag überforderte ÖPNV Anbindung, der muss sich vor Augen führen, wie sehr der Berliner Lokalpatriot sein kann. Das Berliner Lebensgefühl, welches sich in dem Gedicht von einer Freundin von Opa wiederspiegelt (die sich über einen Besuch auf ihrem Blog und über neue Follower bei Twitter freut)

 

Ode an Berlin

 

Dein Vielfalt überfordert mich

Deine Gelassenheit irritiert mich

Deine Menschen deprimieren mich

Deine Farben schwärzen meine Gedanken

 

Dein Chaos liebe ich

Deinen Dreck ignoriere ich

Deinen Lärm absorbiere ich

Deinen Charakter trage ich in mir

 

Deine Kälte wärmt mich

Deine Hektik beruhigt mich

Deine Schroffheit umarmt mich

Deine Weite gibt mir ein Zuhause

 

Deine Nachbarn beneiden dich

Deine Kinder vermissen dich

Deine Arroganz isoliert dich

Dein Mut macht dich stark

 

Deine Vergangenheit vergisst du nicht

Deine Mauern brauchst du nicht

Deine Zukunft kennst du nicht

Dein Ich gibt es nicht

 

Deine Zerrissenheit ist meine Zerrissenheit

Deine Geister sind meine Geister

Dein Humor ist mein Humor

Dein Herz ist mein Herz

All das wird es in Brandenburg nicht mehr geben. Nach Opas Eindruck werden sehr viele Herthaner nicht mit nach Brandenburg ziehen. Wenn Hertha da 55.000 Zuschauer hinlocken will, wird man eine Menge neue Zuschauer gewinnen müssen. Und wenn man das da draußen als Berlin verkaufen will, ist die Grenze, wo sich jemand verschaukelt fühlen dürfte, ziemlich dünne. Und wir laufen Gefahr, dass die Heimfans so etwas wie „Kniet nieder, ihr Bauern, die Hauptstadt ist zu Gast“ skandieren. Oder so etwas wie „Wir fahr'n nach Haus, ihr müsst hier wohnen“. Ob Opa nach Ludwigsfelde fahren wird? Vielleicht mal zum gucken, aber die Zeiten seiner Dauerkarte dürften dann vorbei sein.

 

Was u.a. auch daran liegen dürfte, dass es kein Stadionrestaurant mehr geben dürfte, Opa ist gerade dabei, das als eine Sektion seines Fanclub auf die Beine zu stellen. Unseren Stammtischaufsteller gibt’s schließlich schon. 

FOTO Sektion Stadionrestaurant

 

Neben der Sektion Stadionrestaurant werden auch die Exilherthaner eine bekommen. Dieses Projekt braucht noch ein Weilchen, aber es kommt. So wie der Frühling zu dieser Jahreszeit, der die kahlen Bäume innerhalb weniger Tage regelrecht explodieren lässt. Auf dem Weg zum ersten Spargel in Beelitz fuhr Opa mal an der Ludwigsfelder Baugrube vorbei. 

FOTO Ludwigsfelde

 

Das tolle am Frühling sind aber nicht nur Spargel und Früherdbeeren, sondern so langsam gibt’s auch andere Leckereien. Artischocken zum Beispiel, die Opa mit einer leckeren Knoblauchmayonaise als Vorspeise servierte. Und wo wir gerade in der kulinarischen Ecke sind: Ein Discounter bot neulich „Tête de Moine“ Käse an, also Mönchkopfkäse, der mit Hilfe einer Girolle fein abgehobelt wird. Dazu ein bißchen Salat, gutes Brot, ein Glas Rotwein und die Gesellschaft eines Freundes aus Frankreich. 

FOTO Tête de moine

 

Opa kann eben mehr als Hackepeter. Aber er mag manchmal nicht nur rohes Fleisch, sondern auch rohen Fisch, Opas Sushikünste sollten mittlerweile als „routiniert“ zu bezeichnen sein. Demnächst vielleicht auch auf Auswärtsfahrt? 

FOTO Sushi

 

Während Opa kulinarischen Gedanken nachhing, liefen jede Menge Fotos von Exilherthanern ein, die stolz ihr Herthanerdasein in der Ferne zur Schau stellen. Diesmal sogar in der Stadt mit dem zweithöchsten Gebäude der Welt, wo es einen Freund von Opa zum Arbeiten hinverschlagen hat: Shanghai

FOTO Exilherthaner

 

Wer auch so ein T-Shirt haben will, findet das bei Opa im Shop – jetzt neu auch als taillierte Girlie-T-Shirts ;) An dieser Stelle noch eine Gratulation an „Hertha unser“, die seit 13 Jahren das Geschehen rund um Hertha kommentieren. 

 

Jetzt wird’s feurig, Opa war von Exilherthanern aus Coswig (Anhalt) eingeladen worden, dort dem Osterfeuer beizuwohnen, welches dort traditionell am Gründonnerstag Abend entzündet wird. 

FOTO Collage Feuer

 

So ein Feuer ist nett, aber den Höhepunkt erreichte die Veranstaltung erst durchs Feuerwerk und die angesichts der nahen Elbe notwendige Seenotübung ;)

FOTO Collage Feuerwerk

 

Der Morgen danach hinterließ nur ein Häuflein rauchende Asche, während Opa seinen Kater auskurierte. 

FOTO Aschehaufen

 

Schön war's, danke üfr die Gastfreundschaft, Opa kommt gern wieder. Doch nun wurde es Zeit, sich den...

 

Reisevorbereitungen

...zu widmen. Dass die Fußballverbände humorlos am Osterwochenende Spiele ansetzen, ist schlicht eine Frechheit. Eingezwängt in Rahmenterminkalender, die für noch weiter aufgeblähte MickyMouse Wettbewerbe, wo die Auswahl des Vatikanstaats gegen das Lichtensteiner Nationalmannschäftchen antritt, muss der Ligabetrieb und der gemeine Fußballfan unter diesem Schwachsinn leiden. Und so etwas macht sich halt auch in den Besucherzahlen bemerkbar. Es gab jede Menge Tickets, die angeboten wurden.

 

Opa hat im Rhein-Main-Gebiet mittlerweile viele Freunde, die ihm bereitwillig Quartier anbieten, sogar an Ostern. Insofern war geplant, die Nacht nach dem Spiel dort zu bleiben, aber Opa hatte den Plan ohne die Bahn gemacht. Die nämlich hatte die Veranstaltungstickethotline über Ostern abgeschaltet, Opa musste nicht nur am Karfreitag ins Reisezentrum, sondern bekam dort im Gegensatz zur telefonischen Buchung auch nur ein Ticket, welches nur am Veranstaltungstag gültig ist. Gnarz, also informierte Opa die Gastgeber, dass er nicht über Nacht bleiben würde, sondern nur zum Treff der Exilherthaner käme.

 

Ein paar Klappstullen wurden am Vorabend liebevoll mit Salat, Käse, Schinken und Gürkchen belegt, denn der Treff mit den Exilherthanern war auf 11:30 Uhr in Mainz terminiert, da musste Opa zu einer Zeit aufstehen, wo man früher Nachbarländer überfiel. Trotz frühem Zubettgehens fiel es Opa schwer, in den Schlaf zu finden. War es die Aufregung, endlich wieder auswärts zu fahren? Oder noch der Groll über die Bahn? Die Nacht jedenfalls war kurz und Opa einigermaßen zerknautscht, als um 4:45 Uhr der Wecker klingelte. Nach einer erfrischenden Dusche, dem frischen Glatze rasieren und zwei Sturzkaffee ging es mitsamt Mitbewohner auf zum Bus, der Opa zum Hauptbahnhof bringen sollte.

 

Anreise

Ungewöhnlich pünktlich spuckte uns der Bus am Hauptbahnhof aus, 13 Minuten vor Abfahrt des ICE. Wer die Ampelschaltung für die Fußgänger am Hauptbahnhof entwickelt hat, sollte zur Strafe nackt an die nächste Laterne gebunden werden. Wer da über sie Straße will, sollte sich was zu lesen mitnehmen. Oder unvorbildlich über rot gehen. Dieser Hauptbahnhof ist und bleibt ein überflüssiger und schlecht durchdachter Klotz in Berlins Mitte. Danke nochmal an die Alphatierchen, die meinten, sich ein Denkmal setzen zu müssen, welches aller verkehrsplanerischer Intelligenz widerspricht und auf ewig unvollkommen bleiben wird. Ein nicht zu Ende baubares Dach, ganze drei Taxistellplätze mit einer oberdämlichen Anfahrt, der Zwang, dass alle Bewohner der Metropole in die Stadt hineinfahren müssen, um aus ihr herauszufahren. Es gibt nichts, was irgendwie für diesen Bahnhof spräche. Und toll, wie gerade immer die Rolltreppen ausgefallen sind, die Opa benutzen möchte.

 

Auf dem Bahnsteig das übliche Bild. Die „Bahnbullissei“ in zivil, so zivil, dass eine Transe auf dem Tuntenball dagegen als unauffällig zu bezeichnen ist, schaute nach dem Rechten, außer ein paar versprengten, eher „kuttigen“ Kleingruppen gab's jedoch keine Auffälligkeiten. Der ICE war trotz der frühen Uhrzeit gut gefüllt, eine Familie aus dem nahen Osten mit zwei süßen Kindern hatte Schwierigkeiten, einen Platz zu finden. Opa gab mit seinem Mitfahrer den Platz auf, überließ ihn der Familie und ließ die Party im Bordbistro steigen, wo sich schon eine Gruppe Herthaner mitsamt mitgebrachtem Bierkasten hinverzogen hatte, die von der Zugchefin alle 10 Minuten angesprochen wurden, dass das eigentlich nicht erlaubt sei. Doch wohin, wenn der Zug voll ist? Bei Fluggesellschaften wird in solchen Fällen upgegradet, wenn sie nicht gerade Passagiere an den Extremitäten aus dem Flieger schleppen. Bei der Bahn wird der Pöbel alle zehn Minuten zusammengeschissen, nur, damit man keine Passagiere der meist leeren ersten Klasse vergrätzt. Standesdenken wie als wäre der Adel noch wer.

 

Immerhin funktioniert mittlerweile das W-LAN bei der Bahn. Nicht sonderlich fix, nicht uneingeschränkt, aber besser als nix ist es allemal. Und noch etwas funktioniert mittlerweile, über die App DB Navigator kann man mittlerweile den Wagenstandsanzeiger für seinen Zug abrufen und muss nicht mehr über trottelige Mitreisende stolpern, die ihre Koffer großräumig um die Anzeige am Bahnsteig verteilen und so den Zugang zu dieser Information erschweren, die die immer wieder putzig zu beobachtende Prozedur verhindern würde, dass Reisende nach dem Einsteigen mitsamt überseekoffergroßen Gepäckstücken ihren Wagen suchen, meist in beiden Richtungen und darauf bestehen, den Koffer zu schieben und dabei an jeder Sitzreihe hängenzubleiben. Wenn Opa eines Tages mal Amok laufen sollte, war bestimmt einer dieser Reisenden dafür ursächlich. Manchmal muss man Axtmord regelrecht als Lösung in Betracht ziehen. 

FOTO Screenshot App

 

Irgendwann stieg eine Gruppe ein, die alle wissen lassen wollte, dass sie da war. Und warum. Ein älteres Ehepaar brachte seine Schwiegermutter in den Zug, plärrte „wir bringen unsere Schwiegermutter zum Platz“ und irrte orientierungslos wie laut durch den Zug, bis das passierte, was passieren musste, die Türen gingen zu, der Zug fuhr los. Der Ehemann, mit Cholerikeräderchen am Hals versehen, herrschte die Schaffnerin an, dass das eine Sauerei sei, er müsse doch seine Schwiegermutter zum Platz bringen. Sie entgegnete süffisant, dass draußen die Abfahrtzeit dran steht und er sich daran orientieren müsse (um dann die Herthaner wieder darauf hinzuweisen, dass der Aufenthalt im Bistro mit selbstmitgebrachten Getränken verboten sei). Den Ehemann im Schlepptau trat das Schauspiel ab, man konnte aber noch eine Weile dem Dialog folgen.

 

Ehemann: „Ich habe keine Fahrkarte und werde auch keine kaufen!“

Schaffnerin: „Sie fahren aber mit im Zug und brauchen eine Fahrkarte!“

Ehemann: „Ich muss doch meine Schwiegermutter zum Platz bringen!“

Schaffnerin: „Wenn Sie eine Fahrkarte haben, dürfen sie das gern!“

Ehemann: „Mein Parkschein am Bahnhof läuft ab, ich werde auch das Verwarnungsgeld nicht bezahlen!“

Schaffnerin: „Ich hätte dann mal gern ihre Personalien, damit ich das Schwarzfahren dokumentieren kann“

Ehemann: „Ich bringe doch nur meine Schwiegermutter zum Platz“

 

Opa überlegte einen Moment, den Mann bei seiner Rückfahrt zu begleiten, das dürfte ein noch unterhaltsamerer Dialos sein, wenn er dem Schaffnix auf der Rückfahrt erklärt, er brächte doch nur seine Schwiegermutter zum Platz. Doch dafür war keine Zeit.

 

Kurzes Umsteigen in Fulda und schwupps waren wir um kurz nach 11 Uhr in Mainz. Ein süßer Bahnhof, eingequetscht in eine pittoreske Altstadt begrüßte uns mit was? Genau, einer defekten Rolltreppe. Diesmal an den Schließfächern vorbei (diejenigen, die das Tagebuch der letzten Saison kennen, wissen, was gemeint ist), mit der S-Bahn eine Station und schwupps waren wir im vereinbarten Brauhaus namens „Eisgrub“. Dezent überforderter Service, Bier für selbstgebrautes eher mit durchwachsenem, leicht plörrigem Geschmack, das Essen im Konvektomaten warmgehalten, wo das Kartoffelpürree stellenweise eine Haut bilden konnte, zum Schluss hatte Opa zwar alle Biere, die er bestellt hatte, auf der Rechnung, nur mit dem Schönheitsfehler versehen, dass er davon nur die Hälfte bekommen hatte. Wer sich den Laden mal antun will, findet ihn bei einer der Suchmaschinen, eine Empfehlung ist es eher nicht, es sei denn, man steht auf Kartoffelpürree mit Haut, das ist bei den nicht saftigen Saftrippchen zu finden.

 

Plötzlich standen bekannte Gesichter im Raum, Manne Sangel, der Macher vom Herthaecho und Preisträger des „Herthaner des Jahres“ vor einigen Jahren, stand im Raum und machte eine Reportage über die Exilherthaner, über die Opa ja schon berichtet hatte. Opa freute sich über eine Einladung ins neue Studio, welches man kürzlich bezogen hat und was nach einem Update des „Hertha hinter den Kulissen“ schreit.

 

Auf ging's zum Stadion, wieder zurück mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof, wieder die defekte Rolltreppe umgehen und raus zu den zahlreichen Shuttlebussen, denn die Mainzer Arena steht auch am Stadtrand, einsam und verlassen auf einem Projektgrundstück, was wohl noch ein Jahrzehnt braucht, bis dort Leben herrscht. Immerhin hat die eine Bude wieder offen, die auf hälftigem Weg zwischen Shuttlebushaltestelle und Stadion liegt, das Gedränge daran hielt Opa jedoch von einer Bestellung ab. Das Stadion selbst sieht von weitem eher nach Möbelhaus aus. 

FOTO Stadion auf der grünen Wiese

 

So dürfte es 2025 dann auch in Ludwigsfelde aussehen. Kann man so machen, schön ist es nicht und Opa hat auf so etwas auch keinen Bock. Die Mainzer, vor dem Spiel in akuter Abstiegsgefahr, waren heiß auf das Spiel, das wurde schon auf dem Weg zum Stadion klar, denn überall hingen Plakate mit dem Slogan „100 % Einsatz für unser Ziel“, welches in dieser Saison Klassenerhalt bedeutet.

FOTO Slogan

 

Auf dem hermetisch abgeriegelten Gästeparkplatz brachte Opa seine Klamotten dankbarerweise bei einem der Autofahrer unter, zischte noch ein Bierchen und betrachtete das Treiben der Behelmten, die anlasslos- und sinnloserweise auf dem Parkplatz herumstreiften und die Kennzeichen der Fahrzeuge aufschrieb, vermutlich, um überhaupt irgendwas zu tun zu haben. Vor einem der geschlossenen Kioske war ein Tisch eines Bierbanksets aufgebaut, auf dem Ende ein Herthaner, der offensichtlich einen harten Tag gehabt hatte und selig schlief. Es sah so aus, als säße er auf der Kante und würde nur deshalb keinen Abgang machen, weil auf der anderen Seite des Tisches einer seiner Kumpels saß. Opa dachte sich, dass er mal nett ist und machte den Kumpel darauf aufmerksam, dass er beim Aufstehen aufpassen solle, nicht dass sein Freund den Abgang macht. Die Antwort verblüffte: „Keine Sorge, haben wir schon ausprobiert“ - Wer solche Freunde hat, ist bei Hertha :D

 

Im Stadion

Die Einlasskontrolle war penibel. Opas Ordner ließ ihn mitsamt Powerbank ein. Opas Mitfahrer nebenan wurde diese jedoch nach einer ausführlichen Diskussion abgenommen, woraufhin sich ein Supervisor einmischte und Opas Powerbank auch einkassierte. Wie Opa sein Handy aufladen soll? War ihm egal. Gnarz. Opa sprach gleich die Fanbetreuung an, die das für zukünftige „Was darf mit nach...?“ mitabfragen wird, um diesbezüglich Klarheit zu bekommen. Das Verhalten der Mainzer Ordner muss man dennoch als kleinlich, albern und dumm bezeichnen.

 

Drinnen im Möbelhaus, äh, Mainzer Stadion trister Sichtbeton, immerhin hat man sich einigermaßen Mühe gegeben, nicht allzuviel offene Leitungen zur Schau zu stellen. Direkt gegenüber vom einzigen Zugang zum Gästeblock befinden sich zwei Kioske mit freundlichem, schnellen Personal. Angeblich alkoholhaltiges Bier für 3,90 € und eine durchaus feurige Feuerbeißerbratwurst wird serviert.  

FOTO Kiosk

 

Gegenüber rechts und links vom Mundloch befinden sich die Toiletten. Seife und Handtücher sind vorhanden (was keine Selbstverständlichkeit in deutschen Stadien ist), jede Menge Aufkleber auch.

FOTO Collage Aufkleber

 

Nicht genug, um die Hinterlassenschaften der Fans aus Gelsenkacken zu überkleben, die sich massenhaft verewigt hatten.

 

Zum Einlauf der Mannschaften hatte die Mainzer Szene eine Choreo vorbereitet. Großes Spruchband unten, was mehrmals mit einem Schiebegerüst geflickt werden musste, der Rest dann Zettelchoreo. Einfach, nett gemacht, einzig das Schwenken der weißen Fähnchen hätte man besser durch weiße Zettel ersetzt. Und beim nächsten mal sollte man das Rollgerüst dann auch zur Seite fahren ;)

FOTO Choreo

 

Dem Rest des Publikums hatte man Klatschpappen auf die Sitze gelegt. Ekelhafte Geräuschkulisse wie beim Handball oder Volleyball. Bemerkenswert übrigens auch, dass es trotz neuem Stadion reichlich leere Plätze gibt, gerade an den Randbereichen waren auffällige leere Stellen. Auch das als Warnung an die, die mit 100% Auslastung in einer neuen Arena rechnen.  

FOTO Collage leere Pätze

 

Das Spiel

Die Mainzer gingen mit Anpfiff aggressiv auf die Herthaner drauf und waren brandgefährlich. Unsere mit Privatflieger und allerlei Gedöns gepamperten Profis traten luschig auf, produzierten Fehlpässe, dass man sich fragen musste, was die denn beruflich machen und obendrein stimmte die Zuordnung nicht, Brooks stauchte immer wieder seine Vorder- und Nebenleute zusammen. Plattenhardt wurde angeschnauzt, weil er eine Flanke nicht verhindert hatte, Allan, weil er überall stand, nur nicht an der richtigen Stelle.

 

Brooks ist unser Abwehrchef, der auch offensiv Akzente setzt, Langkamp defensiv solide, aber Abwehrarbeit ist heute mehr als Bälle rausbolzen, die in seinem Fall zudem auffällig oft beim Gegner landen. So sympathisch Langkamp auch ist, seine Zeit scheint vorbei zu sein. Gleiches gilt für Pekarik, der zwar bemüht auftrat, aber eben auch zeigte, warum er im modernen Fußball nichts mehr zu suchen hat.

 

Und die Offensive? Hat eigentlich keine Erwähnung verdient, weil sie über weite Strecken schlicht nicht stattfand. Haraguchi, über den unlängst berichtet wurde, er habe Ambitionen, in England zu spielen. Opa fragt sich beim Betrachten seiner Leistung, als was er da eine Rolle spielen soll? Haarmodell? Greenkeeper? Als Fußballer kann das kaum gemeint sein, gefährlich wie eine Kinderbastelschere mit Einklemmschutz. Maxi Mittelstädt auf der linken Außenbahn war bemüht, Akzente zu setzen, doch fand selten eine Anspielstation mangels Laufbereitschaft und wirkte zum Teil sehr nervös.

 

Dem Jungen fehlt es an Spielpraxis, bei ihm sollte man jedoch bereit sein, ihm Fehler zuzugestehen. Nicht aber den alten Recken dahinter. Ibisevic hing völlig in der Luft, ließ sich tief fallen, was ihn dann mangels Schnelligkeit jedoch ziemlich ungefährlich macht. Und Kalou hatte mal wieder einen Falschgeldtag, so lief er auf dem Platz rum. Und Schelle? Der ist ein Superfeuerwehrmodel, aber kein Achter, von dem irgendein Beitrag ausgeht, das Spiel zu gestalten. Es ist unfassbar, dass wir immer noch auf Platz 5 stehen, denn verdient ist das bei weitem nicht.

 

Gott sei Dank spielten wenigstens die anderen Teams für uns, aber wenn Dardais Laienspielschar auswärts so weiter macht, kommen ein paar Rekordmarken von Tasmania Berlin in Sicht. Auch wenn wir vom Negativrekord der Auswärtsniederlagen in Folge des 1. FC Nürnberg (29; Oktober 1982 bis Mai 1984) noch weit entfernt sind, 10 Auswärtsniederlagen in Folge fühlen sich schrecklich an.

Opa hat in den letzten Wochen eine Lanze für Dardai gebrochen, als schon dessen Ablösung diskutiert und gefordert wurde. Opa bleibt Dardai treu, aber mit einer Faust in der Tasche. Auch, dass er der Mannschaft nach so einer katastrophalen Leistung zwei Tage frei gibt, ist eine merkwürdige Entscheidung, die so aussieht, als sei es ihm egal, was da gerade schief läuft. Opa muss nicht unbedingt nach Europa. Opa muss auch nicht jedes Spiel gewinnen, aber wenigstens sollte man das Gefühl haben, dass die Mannschaft das will. Und dieses Gefühl schwindet von Auswärtsspiel zu Auswärtsspiel. Wann war der letzte Auswärtserfolg? In Wolfsburg. Wo Opa krankheitsbedingt fehlte. Für Opa war der letzte Auswärtserfolg in der Liga im Gruselspiel gegen Ingolstadt. So macht Hertha jedenfalls keinen Spaß.

 

Abreise

Noch schnell ein Bier runtergestürzt und gefühlt zwei Kilometer zu den Shuttlebussen gelatscht. Das mag den Ansturm entzerren, aber auch das macht keinen Spaß, zumal die Busse bumsvoll sind.

FOTO Busshuttle

 

Am Hauptbahnhof noch von den Exilherthanern verabschiedet, ein Leberkäsbrötchen gebunkert und dann hieß es Abfahrt. Die Stimmung im ICE war einigermaßen ausgelassen, eine Gruppe besang den mittlerweile in Brasilien spielenden Ex-Herthaner Ronny, was anfangs dezent nervte, dann aber im Überschwang tatsächlich unterhaltsam war. Bei Opa brachen jetzt auch die Dämme, die Flasche Begleitweinbrand wurde angebrochen, die Eiswürfel schwapperten im Becher und die Mischung ließ den Frust des Tages vergessen.

 

Dank W-LAN im ICE durfte Opa mitlesen, was denn die „Meinungsmacher“ von Hertha, zwei Berichterstatter, die gern mal öffentlich PRO Hertha in die Bresche springen, denn meinten mitteilen zu müssen, was das gemeine Volk denn zu denken hat. Noch vor dem Spiel wurde von einem der beiden der Weitblick von Dardai gelobt, wie gut es war, durch das Ausscheiden aus der Europapokalquali nicht der Doppelbelastung internationaler Spiele ausgesetzt zu sein. Süffisant sarkastisch merkte Opa ob der Nichtleistung via Twitter dazu an:

 

„Wie gut, dass wir keine Doppelbelastung hatten. Und der brutale Reisestress erst, war der Privatflieger nicht kommod genug?“

 

Es gibt Momente, da wünscht sich Opa die Methoden von Ede Geyer oder Hans Meyer zurück. Beide hätten die Mannschaft wohl nach Hause laufen lassen nach dieser Nichtleistung. Kurz vor Mitternacht spuckte der ICE Opa in die dunkle Nacht hinaus. Alter Schwede, war das eine Kackfahrt. Die tollen Menschen, die Opa getroffen hat und die ihn begleitet haben, natürlich ausgenommen. Es stehen zum Saisonende noch zwei Fahrten an. Beide wird sich Opa wohl antun, auch wenn er nicht weiß, warum.