Opas Reisetagebuch - 14.10.2016 - Dortmund – Scheiß andere Vereine!

Opa könnte den Ausflug nach Doofmund so auf den Punkt bringen: „Freitagabendspiele sind scheiße, egal wo! P.S.: Alles außer Samstag 15:30 h ist scheiße!“ Es ist schon eine merkwürdige Entwicklung, die da so stattfindet. Gegen den Protest von Kirchen und Gewerkschaften dürfen Spätis in Berlin sonntags nicht mehr öffnen, aber der Profifußball darf zehntausende Menschen in seinem drumherum wie Ordner, Kioskpersonal etc. zur Arbeit zwingen. Mit was für zweierlei Maß wird da eigentlich in Politik, Verwaltung und dem betreffenden Lobbytum gemessen?

 

Früher war der Sonntag auch dem DFB heilig, der war dem Amateurfußball vorbehalten. Erst kam die dritte Liga, dann die zweite, dann die erste Liga, erst nur ein Spiel, dann mehrere, bis dem Amateurfußball gar keine Luft mehr zum Atmen bleibt. Alles vorhergesagt, alles eingetreten, weshalb all diejenigen, die an Opas Tiraden, wie der Fußball der Zukunft aussieht und dass dieser an den meisten Bundesligisten vorbeigehen wird, rummäkeln, irgendwann auf ihren klimatisierten Superligaplätzen sitzen und das pöbelfreie Stadion genießen wird, in dem die Stimmung vom Band kommt. Was das noch mit Fußball zu tun haben wird? Nichts.

 

Aber bis es soweit ist, wird Opa weiter unsere Hertha noch zu dem einen oder anderen Spiel begleiten, auch wenn er sich darüber bewusst ist, dem goldenen Kalb Fernsehen damit als Kulisse zu dienen. Aber wer sagt denn, dass die Kulisse schön sein oder sich benehmen muss?

 

So auch an einem ekligen Herbstabend in die Dortmunder Provinz. Dreitausend Herthaner machen sich auf den Weg ins Westfälische am Rande des Ruhrgebiets. Angesichts der Ansetzung auf einen Freitag Abend mag das respektabel sein. Angesichts dessen, was wenige Tage später der Stadtrivale aus Köpenick dort angekarrt haben wird, relativiert sich das aber ein wenig, denn die sind unter der Woche mit 13.000 Mann da angetreten. Klar ist das für die was besonderes, mal im Westfalenstadion zu spielen. Klar mobilisiert man da mehr. Aber auf Herthaverhältnisse hochgerechnet, hätten wir da mit 25.000 Mann einmarschieren müssen.

 

Opa hat oft genug in Richtung Förster gefrotzelt, aber das war schon respektabel, was man da fantechnisch auf die Beine gestellt hat. Man hörte auch wenig Klagen in Sachen Kartenbeschaffung. Und drei Sonderzüge zu organisieren, davor darf man abseits aller Rivalität auch durchaus den Hut ziehen und sich die Frage stellen, warum wir das nicht auf die Reihe kriegen, wohlwissend, dass diese Frage bei Hertha und drumherum nicht jeder gern hören wird. Und dennoch muss man den einen oder anderen Punkt immer wieder hinterfragen, z.B. warum wir in Sachen Sonderzug seit gefühlt eineinhalb Jahren nichts mehr auf die Reihe kriegen.

 

Ein Freitagabendspiel jedenfalls würde sich da durchaus anbieten. Denn zurück kommt man an dem Abend nicht mehr, zumindest nicht mit Zug. Also bliebe als Alternative Auto, Neuner, Bus oder Übernachtung. Nun, Opa kennt ja genug Exilherthaner, die ihm immer mal wieder ein Sofa anbieten und wovon er auch gern Gebrauch macht und dabei versucht, ein pflegeleichter Gast zu sein. So durfte er das Sofa einer Exilherthanerin nutzen, die wacker in einer der hässlichsten Städte Europas die Herthafahne hochhält, an die Opa aber durchaus positive Erinnerungen hat. Wer von Opas Lesern weiß, wo man folgende Punkte verorten kann, wird wissen, wo Opa nächtigte: Schimanski, Köpi und Hertha feierte dort einen Aufstieg in die erste Liga.

 

Doch dazu später mehr. Unspektakulär war diesmal die Anreise. Im passenden ICE ging es unspektakulär Richtung mit so viel Vorlauf nach Dortmund, dass Opa sein Gepäck noch im Schließfach deponieren konnte. Noch ein Fußpils, was man süßerweise in Dortmund in die U-Bahn oder zumindest das, was die so nennen, schmuggeln muss. Dann folgt ein Saunagang. Schon zwei Stunden vor Anpfiff sind die zu wenigen Züge bumsvoll, an jeder Station wird noch zugestiegen, so dass vorm Stadion nicht nur die Scheiben beschlagen sind, sondern man sehr genau weiß, wie sich eine Ölsardine fühlt. Großveranstaltungen außerhalb Berlins sind und bleiben eher „unorganisiert“. Wobei ich Köpenick ausdrücklich nicht zu Berlin zähle, doch auch dazu später mehr.

 

Es ist in Dortmund für Opa Tradition geworden, sich mit ein paar Leuten vor dem Spiel zu treffen. Über die Jahre lernt man beinahe zwangsläufig den einen oder anderen Dortmunder Fan kennen, den man trotz Fehlfarben irgendwie mögen muss. So kristallisierte sich ein Treffpunkt heraus, wo man zumindest vor dem Spiel versucht, bei einer Tasse Kaltgetränk zusammenzufinden. Und so kam es zu einem Wiedersehen, während Opas Gastgeberin sich per Kurznachricht meldete, dass sie wegen eines „Personenschadens“ irgendwo bei Wuppertal feststeckt und noch nicht wüsste, ob sie es pünktlich zum Anpfiff schafft. Nun, Opa war ja in netter Gesellschaft, weshalb sich die Wartezeit kurzweilig überbrücken ließ.

 

Opa hatte nicht nur einen einigermaßen preiswerten Bierstand ausgemacht, auch einige sichtlich angeschlagene Exilherthaner liefen Opa über den Weg, die ihm freimütig die Freundin zum Tausch gegen das Kaltgetränk überlassen wollten. Opa wäre fast schwach geworden ;) In der Bar nebenan gab's sogar ein Getränk, welches sich aus folgendem Wortspiel ergibt: „Rucola? Da fehlt doch ein Buchstabe!“

 

Drinnen gab es schon die Mannschaftsaufstellungen, da schlüfte Opa noch den letzten Schluck aus seinem Becherchen und begab sich zum Einlass, der wenige Minuten vor Anpfiff immer angenehm leer ist. Kurze, wenig ernstzunehmende Nachschau und schon ist man drin in den Katakomben des Westfalenstadions, die einen mit nacktem Sichtbeton empfangen und auch sonst eher funktional kühl gehalten sind wie eine Knasttoilette. Im Block selbst kein Platz, kaum Sicht, komische Leute, vermutlich standen wieder jede Menge Dortmunder Fans im Herthablock, die andernorts keine Karte mehr bekommen hatten. Und Opa stand schon im „Ausweichblock“  

FOTO Stadioninneres

 

Immerhin spielte Hertha in blauweiß und nicht im ungeliebten pinken Ausweichausweichtrikot, welches sich vielleicht bestens verkauft, aber deshalb nicht weniger unbeliebt ist. Wer auffallen will und Spaß an der Provokation hat, sollte in dem Ding mal einen der mittleren Gänge der Ostkurve runtergehen und genau lauschen, was die anderen Fans so davon halten. :D Der Lappen ist und bleibt eine der vorhersehbaren Tapsigkeiten unseres Vereins, mit dem er den angestammten Anhang verärgert. Und der ja trotzdem kommt, aber eben auch vernehmbar seinen Mund aufmacht, dass ihm das nicht passt, das betrifft ja ausdrücklich auch die orangene Bekleidung des Funktionsteams.

Vor dem Spiel hatte der Dortmunder Trainer, den Opa gern als Taschentuchel verhohnepiepelt und den er für wahnsinnig überschätzt hält und ihn u.a. deshalb gern straucheln sieht, sich über die Foulquote an seiner Mannschaft beschwert. Herthas Trainer Pal konterte das mit markigen Worten und markierte somit schiedsrichtertechnisch das Revier.

 

Auf dem Platz war anfangs davon wenig zu sehen. Starkes Pressing des BVB traf auf eine disziplinierte und kompakte Hertha, im wesentlichen eliminierte man sich gegenseitig. Für Fußballliebhaber, die Torchance auf Torchance sehen wollen, sind solche Rasenschachspiele nicht unbedingt etwas. Zeit für Opa, sich was zu trinken zu holen. In Dortmund schenkt man im Gästebereich alkoholreduziertes Bier aus. Im Heimbereich nebenan gibt’s richtiges. Wer sich auskennt, weiß das und stellt sich am richtigen Kiosk an. Auch in Dortmund gibt’s Plastikkarten, hier aber durchaus sehr fanfreundlich gelöst, weil man erstens bis auf die Expressstände überall auch mit Bargeld zahlen kann und zweitens für die Karte keinen Pfand o.ä. hinterlegen muss und es reichlich Stellen gibt, an denen man sich das Guthaben auszahlen lassen kann.

 

Der Verkäufer an Opas Stand war durchaus redselig, er wünschte uns als Gästen jedoch viel Erfolg. Opa fragte verwundert, warum und erfuhr, dass er Anhänger der Mannschaft aus Gelsenkirchen war. Opa holte fortan sein Bier woanders ;)

 

In der zweiten Halbzeit ging Hertha nach einer super Vorarbeit von Weiser und Ibisevic durch ein Tor von Stocker in Führung. Grenzenloser Jubel, Wahnsinn! Und ausgerechnet Stocker, der bei Hertha so schwer in Tritt zu kommen scheint und jetzt, wo er da sein muss, auch da ist. Toll. Doch die Achterbahnfahrt ging weiter. Sollte Hertha hier etwa drei Punkte holen? Die Dortmunder agierten beinahe wie Ertrinkende, die wild um sich schlugen, ohne etwas zu bewirken. Nicht einmal ein unberechtigter Elfmeter brachte den gewünschten Erfolg, Rune Jarstein hielt diesen souverän, doch zehn Minuten vor regulärem Ende gelang dann doch noch der Ausgleich durch die schwarzgelben. Gnarz, Zeit, ein Frustbier zu holen und draußen mit den anderen älteren Meckerköppen dem Spielende entgegen zu meckern. Doch es ging noch rassig weiter, zwei rote Karten sorgten kurz nacheinander dafür, dass beide Mannschaften in Unterzahl das Spiel beendeten. Man trennte sich unentschieden. Hätte Opa das vorher jemand angeboten, vermutlich hätte er eingeschlagen, aber nach dem Spielverauf durfte man ein klitzekleinwenig enttäuscht sein, dass man da nicht mehr mitgenommen hatte. Egal, solcher Ärger verfliegt traditionell schnell.

 

Schnell war Opas Gastgeberin gefunden, die es doch noch gerade so ins Stadion geschafft hatte. Nach der Verabschiedung von den nach Berlin zurückreisenden ging es auf verschlungenen Pfaden Richtung Regionalbahnhof am Stadion, von wo aus wir mit einem kurzen Zwischenhalt am Hauptbahnhof zwecks Gepäckauffassen weiter Richtung Ruhrgebiet fuhren. Nachts ist es auch nicht ganz so hässlich.

 

Am Zielbahnhof angelangt, überkam uns noch ein kleines Hüngerchen. Nun gibt es in kleineren Städten nachts nur eingeschränktes Angebot und das beschränkt sich in dieser Ortschaft auf Döner, Burger oder Currywurst. Nun ist Opas Erwartungshaltung an eine Currywurst im Ruhrgebiet äußerst übersichtlich, aber das war wursttechnisch nochmal eine Etage tiefer. Eine Rostbratwurst in Ekeltunke ersäuft, einzig die unter einer holländischen Sauce namens „Joppie“ versenkten Pommes waren genießbar, der Rest flog beim Burgerbrater in den Müll, wo sich Opa den Resthunger mit einem Ekelburger stillte.

FOTO Ruhrgebietcurry

 

Opas Gastgeberin gab sich alle Mühe, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Sofa war asgeklappt und fertig bezogen, am Morgen gab es einen Café und Opa bedankte sich für die Gastfreundschaft mit einer Einladung zum Frühstück. Unsere Wahl fiel auf eine Lokalität in Mühlheim an der Ruhr und der Weg dorthin belegte, weshalb eine Krankheit nach der Ruhr benannt wurde ;)

Nach dem opulenten Mahl, welches wir dem unaufmerksamen Personal abtrotzten, hieß es auch schon Abschied zu nehmen. Pünktlich wurde Opa am Bahnhof abgesetzt, verabschiedete sich herzlich von seiner Gastgeberin und schon saß er im Zug Richtung Hauptstadt.

 

Die kurz danach zur Kontrolle erschienene Schaffeuse merkte an, dass das Ticket zwar eigentlich erst an Dortmund gilt, wünschte dann aber doch kulanterweise und mit einem Augenzwinkern eine gute Fahrt, nachdem Opa ihr mitteilte, dass es in Berlin auch keinen Unterschied macht, ob man am Ostbahnhof oder in Spandau einsteigt. Sie hätte auch 37 Eurorigendwas verlangen können, daher an der Stelle mal Dank an das Zugbegleitpersonal. Doch das Fußballwochenende war noch nicht vorbei.

 

Am Sonntag bekam Opa lange angekündigten Besuch von Freunden aus Hannover, die er mal auf dem Weg zu einem Pokalspiel kennengelernt hatte und mit denen er sich zwischenzeitlich regelmäßig trifft. Deren Gastspiel in Köpenick stand an und Opa wurde gar nicht gefragt, sondern ihm wurde mitgeteilt, dass er mitzukommen habe, die Karte hätten sie schließlich schon. Nun gut. Zwischen Ankunft in Berlin und Anpfiff war Zeit für eine Berliner Currywurst und ein paar Pils, die wir an herthahistorischer Stätte Nahe der Plumpe zu uns nahmen.

 

Die Anreise nach Köpenick war „wie immer“, großveranstaltungskompatibel scheint das nicht zu sein. Der Anmarsch vom Bahnhof Köpenick zum Stadion zieht sich und da die Köpenicker auch keinen VBB Anteil in den Eintrittspreis includieren, fahren die Öffentlichen stur nach nicht ausreichendem Sonntagsfahrplan. Wenn sie nicht sowieso im Anreisestau steckenbleiben, denn trotz nicht vorhandener Parkplätze reisen viele Fans mit dem Auto an. Chaos pur.

 

Dazu passend dann auch das Getrödel am Gästeeinlass. Es gibt auf dem Zuweg an der Wuhle eine Vorkontrolle, vor der sich eine Viertelstunde vor Anpfiff noch geschätzt knapp 1000 Hannoveraner Anhänger befanden und zunehmend ungeduldiger wurden. Nun weiß Opa, wie er mit „aktivem Anstehen“ an so etwas vorbeischleicht, aber nicht zum ersten mal war man in Köpenick mit knapp 3000 Gästefans komplett überfordert, denn auch zum Anpfiff herrschte noch reichlich Andrang an der besonders pingeligen Kontrolle, die man wohl aus Angst vor Pyro angeordnet hatte. Sinnlos, wie sich im weiteren Verlauf zeigte, denn es brannte zur zweiten Halbzeit reichlich Pyrotechnik im Block.

Wenn man zu Gast bei anderen Vereinen ist, gebietet sich ein gehöriges Maß an Zurückhaltung, also nahm Opa keinem Gästefan den Platz weg und tummelte sich mit erstaunlich vielen anderen Herthanern oben am Bierstand. Immerhin das klappt in Köpenick ganz manierlich und es gab sogar Vollbier. Opa hatte Zeit, die Hinterlassenschaften diverser Fanszenen zu beobachten.

FOTOS Sticker

 

Irgendwie steckt im Spiel der Sechsundneunziger der Wurm drin, man unterlag den Köpenickern und entsprechend gedämpft fiel die Stimmung nach dem Spiel aus. Das änderte jedoch nichts an dem Wunsch, in Berlin noch die Exilhannoveranerkneipe unweit Opas Heimatkiez zu besuchen, die nach dem ursprünglichem Namen vom Stadion in Hannover benannt ist. 

FOTO Niedersachsenstadion

 

Nach ein paar Abschlussbierchen verabschiedeten sich Opas Gäste, die unbedingt noch ein Selfie vorm Brandenburger Tor machen wollten, was dann zur Photobomb ausartete. Etwas, was einem als Berliner durchaus befremdlich erscheint, aber ein eher internationales Phänomen darstellt ;)

FOTO Brandenburger Tor